Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
weichend, ruhig auf ihren Posten. Ja, ein so schläfriger Einfluß beherrscht den Palast, daß man diese Wachen selbst bei Tag auf den Steinbänken der Thorhalle nicken oder unter den nahen Bäumen schlafen sieht, so daß es in der That der schläfrigste Posten in der ganzen Christenheit ist. Alles das, sagt die alte Legende, wird von Jahrhundert zu Jahrhundert währen, die Prinzessin wird die Gefangene des Astrologen bleiben, und den Astrologen wird die Prinzessin in magischem Schlummer halten, bis zum letzten Tag, wenn die geheimnißvolle Hand nicht den gefeiten Schlüssel ergreift, und den ganzen Zauber dieses behexten Berges aufhebt.
Der Thurm der Prinzessinnen.
Bei einem Abendspaziergange durch ein enges Thälchen hinauf, welches das Gebiet der Veste von dem des Generalife trennt, und von Feigenbäumen, Granaten und Myrthen überschattet ist, fiel mir der romantische Anblick eines maurischen Thurms in der äußern Mauer der Alhambra auf, der über die Baumwipfel empor stieg, und die röthlichen Strahlen der untergehenden Sonne zurückgab. Ein einziges Fenster in einer großen Höhe hatte die Aussicht auf das Thälchen. Während ich hinaufsah, blickte ein junges Frauenzimmer heraus, dessen Haare mit Blumen geschmückt waren. Sie hörte offenbar nicht der gemeinen Klasse des Volkes an, welche die alten Thürme der Veste bewohnen; und ihre plötzliche romantische Erscheinung erinnerte mich an die Beschreibungen von gefangenen Schönheiten in den Feenmärchen. Diese phantastischen Ideenverbindungen wurden noch durch die Nachricht bestärkt, welche mir mein Begleiter Mateo gab, daß dieses der Thurm der Prinzessinnen (la Torre de las Infantas) sey, und so genannt werde, weil er, der Sage nach, die Wohnung der Töchter der maurischen Könige gewesen. Ich habe seitdem den Thurm besucht. Man zeigt ihn in der Regel den Fremden nicht, obgleich er der Beachtung werth ist; denn das Innere steht, an Schönheit der Architektur und Zierlichkeit der Ausschmückung, keinem Theile des Palastes nach. Die Eleganz des mittlern Saals mit seinen Marmorbrunnen, seinen hohen Bögen und der reichen Deckenverzierung, die Arabesken und die Stuccoarbeiten des kleinen aber in schönen Verhältnissen gebauten und nur leider durch Zeit und Vernachläßigung sehr beschädigten Gemaches – alles stimmt mit der Geschichte überein, daß einst königliche Schönheiten hier geweilt.
Die kleine alte Feenkönigin, die unter der Treppe der Alhambra wohnt, und die Abend-Tertulias der Dame Antonia zuweilen besucht, erzählt manche wundersame Geschichte von drei maurischen Prinzessinnen, welche einst von ihrem Vater, einem tyrannischen König von Granada, in diesen Thurm gesperrt, und denen nur Nachts erlaubt worden war, in den Bergen umher zu reiten, wo es bei Todesstrafe niemand wagen durfte, ihnen zu begegnen. Man kann sie, der Nachricht jener Frau zufolge, noch manchmal bei’m Vollmond an einsamen Plätzen die Bergseite entlang auf reich aufgezäumten Zeltern und von Edelsteinen funkelnd, reiten sehen; aber sie verschwinden, sobald man sie anredet.
Ehe ich aber das Weitere in Betreff dieser Prinzessinnen erzähle, wird der Leser begierig seyn, etwas von der schönen Bewohnerin des Thurmes mit den blumenbegränzten Locken, die aus dem hohen Fenster sah, zu erfahren. Es fand sich, daß sie seit kurzer Zeit die Gattin des würdigen Invaliden-Adjutanten war, der, obgleich ziemlich bejahrt, den Muth gehabt hatte, eine junge, dralle andalusische Maid an sein Herz zu nehmen. Möge der gute alte Caballero in seiner Wahl glücklich seyn, und in dem Thurm der Prinzessinnen einen sicherern Aufenthalt für weibliche Schönheit finden, als er sich in der Zeit der Mosleminen erwieß, wenn man folgender Sage glauben darf!
Sage von den drei schönen Prinzessinnen.
In alten Zeiten herrschte ein maurischer König zu Granada, der Mahomed hieß, und dem seine Unterthanen den Beinamen
»el Haygari«
oder den Linkischen gaben. Einige sagen, man habe ihn so genannt, weil er wirklich seine linke Hand besser zu brauchen verstand, als seine rechte; andere, weil er gewöhnlich alles an dem unrechten Ende angefangen, oder mit andern Worten, alles, womit er sich befaßt, verpfuscht habe. Gewiß ist es, er lebte stets in Trübsal, sey es nun aus Unglück oder Ungeschicklichkeit; dreimal wurde er vom Thron gestoßen, und rettete das eine Mal mit Noth kaum sein Leben, indem er in der Verkleidung eines Fischers nach Afrika floh. Doch war er eben so tapfer, als ungeschickt,
Weitere Kostenlose Bücher