Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
sie führten mehrere christliche Sclaven. Die neugierige Zayda weckte ihre Schwestern, und alle drei lugten vorsichtig durch die dichten Jalousieen des Fensters, welche verhinderten, daß man sie sehen konnte. Unter den Gefangenen waren drei reich gekleidete spanische Ritter. Sie waren in der Blüthe der Jugend und von edlem Ansehen; und die stolze Art ihres Benehmens, trotz der Ketten, mit denen sie beladen und der Feinde, von denen sie umgeben waren, verrieth die Größe ihrer Seelen. Die Prinzessinnen schauten mit hoher athemloser Theilnahme. Da sie bisher in diesem Schlosse mit weiblicher Bedienung eingeschlossen waren, und von dem männlichen Geschlechte nichts gesehen hatten, als schwarze Sclaven oder die rauhen Fischer am Seegestade, kann man sich nicht wundern, daß die Erscheinung von drei edeln Rittern in dem Stolze der Jugend und männlichen Schönheit eine Regung in ihren Herzen hervorbrachte.
»Hat je etwas Edleres die Erde betreten, als jener Ritter in Scharlach?« rief Zayda, die älteste der Schwestern. »Seht wie stolz er sich benimmt, als wären alle die um ihn seine Sclaven!«
»Aber schaut jenen in Grün!« rief Zorayda: »welche Anmuth! welche Zierlichkeit! welche Hoheit!«
Die holde Zorahayda sagte nichts, aber sie gab insgeheim dem Ritter im Grün den Vorzug.
Die Prinzessinnen wandten kein Auge ab, bis die Gefangenen aus dem Gesicht entschwanden; dann verhauchten sie schwere Seufzer, wendeten sich um, blickten einander einen Augenblick an, und setzten sich sinnig und nachdenkend auf ihre Ottomanen.
Die kluge Kadiga fand sie in dieser Lage; sie erzählten ihr, was sie gesehen hatten, und selbst das verwitterte Herz der Duenna erwärmte sich. »Arme Knaben!« rief sie aus: »Ich bürge, das Herz mancher schönen und hochgebornen Dame seufzt in ihrem Heimathlande über ihre Gefangenschaft! Ach, meine Kinder, Ihr könnt Euch kaum denken, welches Leben diese Ritter in ihrer Heimath führen. Welch eine Pracht bei den Tournieren. welche Ergebenheit gegen die Frauen, welches Liebeswerben und Ständchenbringen!«
Die Neugierde Zayda’s war vollständig wach; sie war unersättlich in ihren Fragen, und entlockte der Duenna die lebendigsten Gemälde der Scenen ihrer Jugendtage und ihres Heimathlandes. Die schöne Zorayda richtete sich empor, und betrachtete sich schlau in einem Spiegel, als die Rede auf die Reize der spanischen Frauen kam, während Zorahayda bei der Erwähnung der Mondschein-Serenaden einen schweren Seufzer unterdrückte.
Jeden Tag erneuerte die neugierige Zayda ihre Fragen, und jeden Tag wiederholte die kluge Duenna ihre Geschichten, denen ihre schönen Zuhörerinnen mit hoher Theilnahme, obgleich auch unter häufigen Seufzern, lauschten. Die kluge alte Frau fühlte zuletzt doch das Unheil, das sie anzustellen im Begriff war. Sie war daran gewöhnt, der Prinzessinnen nur wie Kinder zu gedenken; sie waren aber unmerklich unter ihren Augen herangereift, und blühten nun vor ihr als drei liebliche Prinzessinnen von mannbarem Alter. Es ist Zeit, dachte die Duenna, dem König Nachricht zu geben.
Mahomed der Linkische saß eines Morgens auf einem Divan in einer der kühlen Hallen der Alhambra, als ein Sclave von der Veste Salobrenna als Bote der weisen Kadiga ankam, welche ihm zu dem Geburtstage seiner Töchter Glück wünschte. Der Sclave reichte ihm zu gleicher Zeit ein schönes Körbchen mit Blumen dar, in denen auf einer Unterlage von Wein-und Feigenlaub ein Pfirsich, eine Aprikose und eine Nectarine lag, mit ihrer Blüthe, ihrem Pflaum und ihrer thauigen Lieblichkeit darauf, und alle in der frühen Zeit verführerischer Reife. Der König war in der morgenländischen Früchte-und Blumensprache erfahren, und errieth sogleich den Sinn dieses bildlichen Geschenkes.
»Also,« sagte er, »ist die bedeutungsvolle Zeit, welche die Astrologen andeuteten, gekommen; meine Töchter sind in einem mannbaren Alter. Was ist zu thun? Sie sind vor den Augen der Männer abgeschlossen; sie sind unter den Augen der klugen Kadiga: – alles sehr gut – doch aber sind sie nicht unter den Augen ihres Vaters, wie durch die Astrologen vorgeschrieben wurde; ich muß sie unter meine Schwingen nehmen, und darf sie keinem andern Schutze vertrauen.«
So sprach er, und befahl, daß ein Thurm in der Alhambra für ihre Aufnahme eingerichtet werden solle, worauf er an der Spitze seiner Wachen nach der Veste Salobrenna abreis’te, um sie persönlich nach Hause zu geleiten.
Gegen drei Jahre waren vergangen, seit
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