Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
verächtlich: »habe ich nicht das Buch Salomons des Weisen, und durch dieses den Schlüssel zu allen Schätzen der Erde? Die Prinzessin ist nach dem Vertrage mein; dein königliches Wort ist gegeben; ich spreche sie als mein Eigenthum an.«
Die Prinzessin blickte stolz von ihrem Zelter nieder, und ein leichtes Lächeln der Verachtung kräuselte ihre rosige Lippe während dieses Streites zweier Graubärte um den Besitz der Jugend und Schönheit. Der Zorn des Königs besiegte seine Klugheit. »Elender Sohn der Wüste,« rief er, »du magst in vielen Künsten Meister seyn; aber erkenne mich als deinen Meister, und wage es nicht, mit deinem König zu scherzen.«
»Mein Meister?« wiederholte der Astrologe: »mein König? der Beherrscher eines Maulwurfshügels will dessen Herrscher seyn, der im Besitz von Salomons Zauber ist? Lebe wohl, Aben Habuz, herrsche über dein winziges Königreich, und schwärme in deinem Narrenparadies; ich werde dich in meiner philosophischen Einsamkeit auslachen.«
Bei diesen Worten faßte er den Zügel des Zelters, stieß seinen Stab in die Erde, und sank mit der gothischen Prinzessin durch den Mittelpunkt des Thorgangs. Der Boden schloß sich über ihm, und keine Spur verblieb von der Oeffnung, durch welche er verschwunden war.
Aben Habuz war eine Weile von Staunen stumm. Als er sich erholt hatte, ließ er tausend Arbeiter mit Aexten und Spaten in den Boden graben, wo der Astrologe verschwunden war. Sie gruben und gruben, aber umsonst; der felsige Busen des Hügels widerstand ihren Werkzeugen, oder wenn sie ein wenig eingedrungen waren, füllte sich die Oeffnung wieder so schnell als sie gemacht worden war. Aben Habuz suchte den Eingang der Höhle am Fuße des Hügels, durch welchen man in den unterirdischen Palast des Astrologen gelangte; allein er war nirgends zu finden. Wo vorher ein Eingang gewesen, war jetzt die feste Fläche eines Urfelsen. Mit dem Verschwinden des Ibrahim Ebn Abu Ajeeb hörte auch die Wirkung seines Talismans auf. Der bronzene Reiter stand nun fest, sein Gesicht dem Hügel zuwendend, und mit dem Speer auf die Stelle deutend, durch welche der Astrolog verschwunden war, als ob dort der tödtlichste Feind von Aben Habuz noch weilte.
Von Zeit zu Zeit konnte man den Klang von Musik und die Töne einer weiblichen Stimme schwach aus der Tiefe des Hügels heraufschweben hören, und ein Landmann brachte eines Tages dem König die Kunde, er habe in der vergangenen Nacht einen Spalt in den Felsen gefunden, durch den er gebrochen sey, bis er in einen unterirdischen Saal sah, in welchem der Astrologe auf einem prächtigen Divan saß, schlummernd, und zu dem Klang der silbernen Leier der Prinzessin, die eine magische Gewalt über seine Sinne zu üben schien, nickend.
Aben Habuz suchte den Spalt in dem Fels, aber er war wieder geschlossen. Er erneuerte die Versuche, seinen Nebenbuhler aufzugraben, aber alles vergebens. Der Zauber der Hand und des Schlüssels war zu mächtig, als daß ihn menschliche Gewalt hätte lösen können. Der Gipfel des Berges aber, wo der versprochene Palast und Garten gelegen, blieb eine nackte Oede; das gepriesene Elysium ward entweder durch Zauberei vor dem Auge verborgen, oder es war ein bloßes Märchen des Astrologen gewesen. Die Welt nahm gutmüthig das letzte an, und viele nannten den Platz »des Königs Narrheit,« während andere ihn »des Narren Paradies« benamseten.
Um den Kummer des Aben Habuz zu erhöhen, machten die Nachbarn, welche er mit Trotz und Hohn behandelt, und, im Besitz seines schirmenden Reiters, nach Laune zu Grund gerichtet hatte, und die sahen, daß er nicht mehr im Besitz des Zaubers war, von allen Seiten Einfälle in sein Gebiet, und der Lebensrest des friedlichsten der Monarchen war ein Gewebe von Unruhen.
Endlich starb Aben Habuz, und wurde begraben. Jahrhunderte sind seitdem vergangen. Die Alhambra ist auf dem merkwürdigen Berge erbaut worden, und verwirklicht in gewissem Grade die mährchenhaften Freuden von Irem’s Garten. Der bezauberte Thorweg steht, indem ihn ohne Zweifel die magische Hand schirmt, noch vollständig, und bildet jetzt das Thor der Gerechtigkeit, den Haupt-Eingang zur Veste. Unter diesem Thor wohnt der Sage nach, der alte Astrolog in seinem unterirdischen Saal, und nickt auf seinem Divan, von der Silber-Leyer der Prinzessin eingewiegt.
Die alten Invaliden, welche die Wache an dem Thore haben, hören zuweilen in den Sommernächten die Töne, und nicken, der einschläfernden Kraft derselben
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