Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
zu überlisten.
Die dreifache Geburt war die letzte eheliche Trophäe des Monarchen; seine Gemalin gebar ihm keine Kinder mehr, und starb in wenigen Jahren, ihre jungen Töchter seiner Liebe und der Treue der klugen Kadiga vermachend.
Viele Jahre mußten noch verlaufen, ehe die Prinzessinnen jene Periode der Gefahr – das mannbare Alter – erreichen konnten. »Es ist aber gut, bei Zeiten vorsichtig seyn,« sagte der schlaue König; und sonach beschloß er, sie in dem königlichen Schlosse Salobrenna erziehen zu lassen. Dieß war ein stattlicher Palast, der gewissermaßen wie ein Kern in der Rinde einer mächtigen maurischen Vestung und auf dem Gipfel eines Hügels lag, welcher das mittelländische Meer überblickte. Er war eine königliche Wohnung, in welcher die moslemitischen Monarchen diejenigen ihrer Verwandten, welche ihrer Sicherheit gefährlich schienen, eingesperrt hielten, und ihnen jede Art Wohlleben und Unterhaltung gestatteten, in deren Mitte sie ihr Leben in wollüstiger Trägheit hinbrachten.
Hier blieben die Prinzessinnen, von der Welt abgesondert, aber von Freuden umgeben und von Sklavinnen bedient, welche ihren Wünschen zuvorkamen. Sie hatten zu ihrer Erholung köstliche Gärten, voll der seltensten Blumen und Früchten, mit aromatischen Gebüschen und wohlriechenden Bädern. Von drei Seiten schaute das Schloß auf ein reiches Thal nieder, das mit dem mannichfaltigsten Anbau geziert, und von dem hohen Alpuxarra-Gebirg begrenzt war; auf der andern Seite zeigte es das weite sonnige Meer.
Die Prinzessinnen erwuchsen in dieser köstlichen Wohnung, unter einem glücklichen Klima und einem wolkenlosen Himmel zu wunderbarer Schönheit; allein, obgleich sie alle auf gleiche Weise erzogen wurden, gaben sie doch früh Zeichen einer großen Verschiedenheit des Charakters. Ihre Namen waren Zayda, Zorayda und Zorahayda; und so folgten sie in dem Alter, denn es waren genau drei Minuten zwischen ihrer Geburt.
Zayda, die älteste, war von unerschrocknem Geist, und ging ihren Schwestern in allem voran, wie sie dies schon bei dem Eintritt in die Welt gethan hatte. Sie war neugierig und wissenslustig, und sah gern allen Dingen auf den Grund.
Zorayda hatte ein großes Gefühl für Schönheit, was ohne Zweifel der Grund des Vergnügens war, das sie empfand, wenn sie ihr eigenes Bild in einem Spiegel oder einem Brunnen sah, so wie ihrer Vorliebe für Blumen, Juwelen und andern schönen Putz.
Was Zorahayda, die jüngste betrifft, so war sie sanft und schüchtern und ungemein gefällig, zugleich besaß sie viel hingebende Zärtlichkeit, wie man aus der Menge ihrer Lieblingsblumen und Lieblingsvögel und andern Lieblingsthieren ersah, die sie alle mit der zärtlichsten Sorgfalt pflegte. Auch ihre Unterhaltungen waren freundlicher Art, und es mischte sich ihnen etwas sinniges und träumerisches bei. Sie saß oft stundenlang auf einem Balkon, und sah zu den funkelnden Sternen einer Sommernacht empor, oder auf die See, die der Mond überglänzte, und in solchen Augenblicken reichte das Lied eines Fischers, von dem Strande schwach herauftönend, oder die Töne einer maurischen Flöte aus einer tanzenden Barke, hin, ihre Gefühle bis zur Verzückung zu steigern. Der kleinste Aufruhr der Elemente aber erfüllte sie mit Leidwesen, und ein Donnerschall reichte hin, sie in eine Ohnmacht zu versenken.
Jahre entschwanden in Wonne und Heiterkeit; die kluge Kadiga, der man die Prinzessinnen anvertraut hatte, war ihrer Pflicht treu, und weihte ihnen die unermüdlichste Sorgfalt.
Das Schloß Salobrenna war, wie gesagt, auf eine Anhöhe an der Seeküste gebaut. Eine der äußern Mauern lief an der Seite des Hügels hinab, bis sie einen abschüssigen Felsen erreichte, der über die See hinaushing, mit einem schmalen sandigen Pfad an seinem Fuß, den die spülenden Wogen küßten. Eine kleine Warte auf diesem Felsen war zu einem Pavillon eingerichtet worden, dessen vergitterte Fenster die Seeluft zuließen. Hier pflegten die Prinzessinnen die warmen Stunden des Mittags hinzubringen.
Die neugierige Zayda saß eines Tags an einem der Fenster des Pavillons, während ihre Schwestern, auf Ottomanen ruhend, ihre Siesta hielten. Ihre Aufmerksamkeit war von einer Barke, die mit abgemessenen Ruderschlägen die Küste entlang kam, in Anspruch genommen worden. Als sie näher kam, bemerkte sie, daß sie mit Bewaffneten bemannt war. Das Fahrzeug ankerte an dem Fuße des Thurms; eine Anzahl maurischer Soldaten landete an dem schmalen Gestade;
Weitere Kostenlose Bücher