Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
dann – aus eurem Geburtsland zu fliehen!«
»Und ist das Land, in das wir fliehen, nicht das Geburtsland unsrer Mutter, wo wir in Freiheit leben werden? Und wird nicht jede von uns, statt eines strengen alten Vaters, einen jungen Gatten haben?«
»Nun, auch das ist alles wahr; und euer Vater, ich muß es gestehen, ist etwas tyrannisch; aber dann – wieder in ihren Kummer verfallend – »wollt ihr mich zurücklassen, um seiner Rache zuerst blos gestellt zu seyn?«
»Keineswegs, meine gute Kadiga! kannst du nicht mit uns fliehen?«
»Sehr wahr, mein Kind; und, die Wahrheit zu sagen, als ich die Sache mit Hussein Baba besprach, gab er mir sein Wort, für mich zu sorgen, wenn ich euch auf eurer Flucht begleiten wollte: aber dann überlegt es, Kinder, wollt ihr dem Glauben eures Vaters entsagen?«
»Der christliche Glaube war der ursprüngliche Glaube unserer Mutter,« sagte die älteste Prinzessin, »ich bin bereit, ihn anzunehmen, und gewiß, meine Schwestern auch.«
»Abermals recht!« rief die alte Frau, sich erheiternd: »er war der ursprüngliche Glaube eurer Mutter und bitterlich hat sie es an ihrem Todbette beklagt, daß sie ihm entsagt hatte. Da versprach ich ihr, für eure Seelen zu sorgen und freue mich zu sehen, daß ihr auf dem rechten Wege des Heils seyd. Ja, meine Kinder, auch ich bin eine geborne Christin, bin eine Christin im Herzen geblieben und fest entschlossen, zu dem Glauben zurückzukehren. Ich habe von der Sache mit Hussein Baba gesprochen, der von Geburt ein Spanier ist und von einem Orte herstammt, der nicht weit von meiner Vaterstadt liegt. Auch er ist begierig, seine Heimath wiederzusehen und sich mit der Kirche zu versöhnen; und die Ritter haben versprochen, für uns, wenn wir geneigt wären, nach der Rückkehr in das Vaterland uns zu verehelichen, anständig zu sorgen.«
Mit einem Worte, es zeigte sich, daß diese äußerst kluge und vorsichtige alte Frau mit den Rittern und dem Renegaten Rath gepflogen und den ganzen Plan der Flucht verabredet hatte. Die älteste Prinzessin stimmte ihm sogleich bei, und ihr Beispiel bestimmte, wie gewöhnlich, den Entschluß ihrer Schwestern. Es ist wahr, die jüngste zauderte, denn sie war zart und schüchtern und es bekämpften sich in ihrem Herzen kindliches Gefühl und jugendliche Leidenschaft: die letztere aber trug, wie gewöhnlich, den Sieg davon und mit stummen Thränen und erstickten Seufzern bereitete sie sich zur Flucht.
Der schroffe Hügel, auf welchem die Alhambra gebaut ist, hatte in alten Zeiten eine Menge unterirrdischer Gänge, die durch die Felsen gehauen waren, und aus der Veste zu verschiedenen Theilen der Stadt und zu fernen Ausfallspforten an den Ufern des Darro und des Xenil führten. Sie waren zu verschiedenen Zeiten von den maurischen Königen als Mittel zur Flucht bei plötzlichen Empörungen, oder als geheime Ausgänge bei Privat-Unternehmungen gebaut worden. Viele von ihnen sind jetzt kürzlich eingestürzt, während andere theils mit Schutt bedeckt, theils vermauert sind – Denkmäler der eifersüchtigen Vorsicht und der Kriegslist der maurischen Regierung. Durch eine dieser Gänge hatte Hussein Baba es unternommen, die Prinzessinnen zu einer Ausfallspforte jenseits der Mauer der Stadt zu führen, wo die Ritter mit schnellen Rossen bereit seyn sollten, um die ganze Gesellschaft über die Grenze zu bringen.
Die anberaumte Nacht kam; der Thurm der Prinzessinnen wurde, wie gewöhnlich, verschlossen und die Alhambra war in tiefen Schlaf begraben. Gegen Mitternacht lauschte die kluge Kadiga von dem Balkon eines Fensters, das in den Garten ging. Hussein Baba, der Renegat, war bereits unten und gab das verabredete Zeichen. Die Duenna befestigte das Ende einer Strickleiter an dem Balkon, ließ es in den Garten und stieg hinab. Die zwei Prinzessinnen folgten ihr klopfenden Herzens; als aber die Reihe an die jüngste Prinzessin, Zorahayda, kam, zauderte und bebte diese. Mehrere Male wagte sie es, den zarten kleinen Fuß auf die Leiter zu setzen und eben so oft zog sie ihn zurück, während ihr armes kleines Herz mehr und mehr zitterte, je länger sie zögerte. Sie warf einen kummervollen Blick zurück in das seidene Gemach; sie hatte darin freilich gelebt, wie ein Vogel in seinem Käfig; aber innerhalb desselben war sie sicher: wer konnte ihr sagen, welche Gefahren ihr drohten, wenn sie in die weite Welt hinaus flatterte? Dann aber dachte sie an ihren edlen christlichen Geliebten und ihr kleiner Fuß war augenblicklich auf
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