Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
tiefe Alkoven mit erhöhtem Boden, wo die aus dem Bade Kommenden sich auf üppige Kissen legten und durch den Duft der gewürzreichen Luft und die sanften Musiktöne von der Galerie in wollüstige Ruhe gewiegt wurden. Jenseits dieses Sälchens sind die inneren noch heimlicheren und abgeschlosseneren Zimmer, in welche das Licht nur durch kleine Oeffnungen in die gewölbten Decken eindrang. Hier war das Allerheiligste der weiblichen Einsamkeit, wo die Schönheiten des Harem’s sich der Ueppigkeit der Bäder überließen. Ein sanftes, mysteriöses Licht herrscht allum; die zerbrochenen Bäder sind noch da, so wie Spuren der alten Eleganz. Das durchgehends herrschende Schweigen und Dunkel hat diese Gemächer zum Lieblingsaufenthalt der Fledermäuse gemacht, welche während des Tages in den dunkeln Ecken und Winkeln nisten und, wenn sie aufgescheucht werden, geheimißvoll in den dämmernden Zimmern umherfliegen, und das Verfallene und Verlassene derselben in einem unsäglichen Grade vermehren.
In diesem kühlen und zierlichen, obgleich verfallenen Raum, welcher die Frische und Abgeschlossenheit einer Grotte hat, brachte ich in der letzten Zeit die warmen Stunden hin und ging erst gegen Sonnenuntergang heraus; in der Nacht aber nahm ich in dem großen Wasserbehälter des Haupthofes ein Bad. Auf diese Weise war ich im Stand, den erschlaffenden und entnervenden Einfluß des Klima’s einigermaßen abzuwehren.
Aber mein Traum von absoluter Herrschaft ist zu Ende. Ich wurde kürzlich aus demselben durch den Knall von Feuergewehren aufgeschreckt, welcher an den Thürmen wiederhallte, als wenn das Schloß durch Ueberrumpelung genommen worden wäre. Als ich heraus eilte, fand ich einen alten Cavalier mit einer Anzahl Bedienten im Besitz des Gesandten-Saals. Er ist ein alter Graf, welcher aus seinem Palast zu Granada herausgekommen ist, um eine kurze Zeit der reineren Luft wegen in der Alhambra hinzubringen, und der, als ein alter und eingefleischter Jäger, bemüht war, seinen Appetit für das Frühstück zu schärfen, indem er von den Balkons Schwalben schoß. Es war ein harmloses Vergnügen, denn obgleich er durch die Raschheit seiner Leute im Laden der Gewehre in den Stand gesetzt war, ein lebhaftes Feuer zu unterhalten, konnte ich ihn doch nicht des Todes einer einzigen Schwalbe anklagen. Ja, die Vögel schienen selbst Freude an der Sache zu haben und seines Mangels an Geschick zu spotten, indem sie in Kreisen nahe an den Balkons umherschwärmten und beim Vorbeistreichen zwitscherten.
Die Ankunft dieses alten Herrn hat das Ansehen der Dinge einigermaßen geändert, aber auch Stoff zu angenehmen Betrachtungen gegeben. Wir haben schweigend die Herrschaft unter uns getheilt, gleich den letzten Königen von Granada, nur daß wir einen höchst freundschaftlichen Bund unterhalten. Er herrscht unbeschränkt über den Löwenhof und die anstoßenden Säle, während ich in friedlichem Besitz der Gebiete der Bäder und des kleinen Gartens der Lindaraxa bleibe. Wir nehmen unsere Mahlzeiten gemeinschaftlich unter den Arkaden des Hofes ein, wo die Brunnen die Luft abkühlen und sprudelnde Bächlein die Rinnen des Marmorbodens entlang laufen.
Am Abend sammelt sich ein häuslicher Kreis um den würdigen alten Herrn. Die Gräfin kömmt mit einer Lieblings-Tochter von ungefähr sechszehn Jahren aus der Stadt herauf. Sodann finden sich hier die Bediensteten des Grafen ein, der Kaplan, der Anwald, der Schreiber, der Haushofmeister und andere Offizianten und Geschäftsleute seiner ausgedehnten Besitzungen. So hält er eine Art Privat-Hof, wo Alle zu seiner Unterhaltung beizutragen suchen, ohne ihr Vergnügen und ihre Selbstachtung zu opfern. Warlich, was man auch von dem spanischen Stolze sagen mag, dem geselligen oder häuslichen Leben bleibt er gewiß fern. Unter keinem Volke sind die Verhältnisse zwischen Verwandten herzlicher, zwischen Vorgesetzten und Untergebenen freier und natürlicher; in diesen Beziehungen hat das Leben in den Provinzen Spaniens vieles von der gerühmten Einfalt der alten Zeiten beibehalten.
Jedoch das anziehendste Glied dieser Familien-Gruppe ist die Tochter des Grafen, die reizende, obgleich fast kindliche kleine Carmen. Ihre Gestalt hat ihre Reife noch nicht erlangt, besitzt aber schon das ausgezeichnete Ebenmaß und die geschmeidige Grazie, welche in diesem Lande so vorherrschen. Ihre blauen Augen, ihre schöne Gesichtsfarbe, ihr blondes Haar sind in Andalusien ungewöhnlich und geben ihrem Wesen eine Milde
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