Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
fruchtlos aus ihrem Thurme. Fruchtlos neigten sie ihre schwanengleichen Hälse über den Balkon; fruchtlos sangen sie wie gefangene Nachtigallen aus ihren Käfigen: nichts war von ihren christlichen Liebhabern zu sehen; nicht ein Laut antwortete aus dem Laubwerk. Die kluge Kadiga eilte nach Kundschaft aus und kam bald mit einem unruhevollen Gesichte zurück. »Ach, meine Kinder,« sagte sie, »ich sah, wohin dies alles führen würde; allein ihr wolltet euern Willen haben; ihr könnt nun eure Lauten an den Weiden aufhängen. Die spanischen Ritter sind von ihren Familien losgekauft worden; sie sind drunten zu Granada und rüsten sich zur Rückkehr in ihre Heimath.«
Diese Nachricht setzte die drei schönen Prinzessinnen in Verzweiflung. Die schöne Zayda war erzürnt über diese ihnen angethane Geringschätzung, indem sie so ohne ein Abschiedswort verlassen worden. Zorayda rang ihre Hände und weinte, und blickte in den Spiegel und wischte sich die Thränen weg und weinte von neuem. Die holde Zorahayda lehnte sich auf den Balkon und weinte schweigend, und ihre Thränen fielen Tropfen um Tropfen in die Blumen des Abhangs, auf dem die treulosen Ritter so oft gesessen.
Die kluge Kadiga that alles, was sie konnte, um ihren Kummer zu mildern. »Tröstet euch, meine Kinder,« sagte sie: »dies ist nichts, wenn ihr daran gewöhnt seyd. Es geht in der Welt nicht anders. Ach, wenn ihr so alt seyn werdet, wie ich, werdet ihr schon den Werth dieser Männer kennen. Ich steh’ euch dafür, diese Ritter haben ihre Geliebten unter den Schönheiten Cordova’s und Sevilla’s und werden bald unter ihren Balkons Nachtständchen bringen, und nicht mehr an die maurischen Schönheiten in der Alhambra denken. Tröstet euch deshalb, meine Kinder, und verbannt sie aus euern Herzen.«
Die ermunternden Worte der klugen Kadiga verdoppelten nur den Schmerz der drei Prinzessinnen, und zwei Tage lang waren sie untröstlich. Am Morgen des dritten trat die gute alte Frau in ihr Gemach, ganz außer sich vor Unwillen.
»Wer hätte sterblichen Menschen eine solche Frechheit zugetraut!« rief sie, sobald sie Worte finden konnte, um ihre Gefühle auszudrücken: »aber dies ist die Strafe, daß ich zur Täuschung eures würdigen Vaters die Hand lieh. Sprecht mir nicht mehr von euren spanischen Rittern.«
»Ei, was hat es gegeben, gute Kadiga?« riefen die Prinzessinnen in athemloser Angst.
»Was es gegeben hat? – Verrath hat es gegeben; oder was fast eben so schlimm ist, Verrath ist mir zugemuthet worden, mir, der redlichsten aller Unterthanen, der treuesten aller Duennas. Ja, meine Kinder, die spanischen Ritter haben es gewagt, mich gewinnen zu wollen, euch zu überreden, mit ihnen nach Cordova zu flüchten und ihre Frauen zu werden.«
Hier bedeckte die treffliche alte Frau ihr Gesicht mit ihren Händen und gab dem heftigen Ausbruch des Kummers und Unwillens Raum. Die drei schönen Prinzessinnen wurden roth und blaß, und blaß und roth, und zitterten und blickten zu Boden und sahen scheu einander an, aber sie sagten nichts. Mittlerweile saß die alte Frau da und wiegte sich vorwärts in wilder Bewegung und brach dann und wann in den Ausruf aus: »daß ich eine solche Beleidigung erleben mußte – ich, die treueste der Dienerinnen!«
Endlich näherte sich ihr die älteste Prinzessin, die den meisten Muth hatte und immer voran war, legte die Hand auf ihre Schulter und sagte: »Nun, Mutter, angenommen, wir wären gesonnen, mit diesen christlichen Rittern zu fliehen – ist so etwas unmöglich?«
Die gute alte Frau ließ plötzlich von ihrem Gram und blickte auf. »Möglich!« wiederholte sie: »gewiß möglich ist es. Haben die Ritter nicht bereits Hussein Baba, den Renegaten und Anführer der Wache bestochen und den ganzen Plan gemacht? Aber dann – nur zu denken, euren Vater zu hintergehen? Euren Vater, der so viel Vertrauen in mich setzte.« Hier gab die würdige Frau einem neuen Ausbruch des Kummers Raum, wiegte sich wieder vorwärts und rückwärts und rang die Hände.
»Aber unser Vater hat nie Vertrauen in uns gesetzt,« sagte die älteste Prinzessin, »sondern hat uns Riegeln und Schlössern vertraut und als Gefangene behandelt.«
»Nun, das ist sehr wahr,« erwiederte die alte Frau, sich wieder ihrem Grame entschlagend: »er hat euch freilich unvernünftig behandelt, daß er euch hier einschloß, die Blüthe eures Lebens in einem langweiligen alten Thurm zu vergeuden, wie Rosen, die man in einem Blumentopf verwelken läßt. Aber
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