Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
edelsten Familien. Die schönen Prinzessinnen wurden alsbald in den Schoos der Kirche aufgenommen und nachdem sie in der gebührenden Form Bekennerinnen des Christenthums geworden waren, wurden sie zu glücklichen Frauen gemacht.
In unserer Eile, die Flucht der Prinzessinnen durch den Strom und die Berge hinan zu schildern, vergaßen wir des Looses der klugen Kadiga zu gedenken. Sie hatte sich bei dem Fluge durch die Vega wie eine Katze an Hussein Baba geklammert, bei jedem Satze laut schreiend und dem bärtigen Renegaten manchen Fluch entlockend; als er sich aber anschickte, in den Fluß zu stürzen, kannte ihre Angst keine Grenzen. »Klammre dich fest an mich,« rief Hussein Baba: »halte dich an meinem Gürtel und bange nicht.« Sie hielt sich mit beiden Händen an dem ledernen Gürtel fest, welcher den breitrückigen Renegaten umschloß; als er aber mit den Rittern auf dem Berggipfel anhielt, um Luft zu schöpfen, war die Duenna nicht mehr zu sehen.
»Was ist aus Kadiga geworden,« riefen die Prinzessinnen bestürzt.
»Allah allein weiß es!« erwiederte der Renegat. »mein Gürtel ging inmitten des Flusses los und Kadiga wurde mit ihm stromabwärts gerissen. Der Wille Allah’s geschehe! Aber es war ein gestickter Gürtel und von hohem Werthe.«
Es war keine Zeit mit vergeblichem Bedauern zu verlieren; doch beweinten die Prinzessinnen den Verlust ihrer klugen Rathgeberin bitterlich. Diese treffliche alte Frau verlor jedoch nicht mehr als die Hälfte ihrer neun Leben: ein Fischer, der etwas weiter stromabwärts seine Netze einzog, brachte sie auf’s Land und war über seinen wunderbaren Fischfang nicht wenig erstaunt. Die Sage erzählt nicht, was ferner aus der klugen Kadiga geworden; gewiß ist es, daß sie ihre Klugheit dadurch beurkundete, daß sie sich nie wieder in das Bereich Mahomed’s des Türkischen wagte.
Fast eben so wenig weiß man von dem Verhalten dieses scharfsinnigen Königs, als er die Flucht seiner Töchter und den Betrug entdeckte, den ihm die treueste der Dienerinnen gespielt hatte. Es war das einzige Mal, daß er Jemand um Rath gefragt hatte, und man hörte später nie wieder, daß er sich einer ähnlichen Schwäche schuldig gemacht hätte. Er war jedoch sehr besorgt, die ihm bleibende Tochter, die keine Neigung zum Entweichen hatte, zu bewachen: man glaubt freilich, sie habe es heimlich bereut, zurückgeblieben zu seyn; man sah sie dann und wann sich auf die Zinnen des Thurmes lehnen und traurig auf das Gebirg in der Richtung von Cordova schauen; und manchmal hörte man die Töne ihrer Laute klagende Lieder begleiten, in welchen sie, wie man sagte, den Verlust ihrer Schwestern und ihres Geliebten beklagte und ihr einsames Leben beweinte. Sie starb jung und wurde, dem allgemeinen Gerücht zufolge, in einem Gewölbe unter dem Thurm begraben und ihr früher Tod gab Veranlassung zu mehr als einer märchenhaften Sage.
Besucher der Alhambra.
Es sind nun fast drei Monate vergangen, seit ich meine Wohnung in der Alhambra aufschlug; das Vorschreiten der Jahreszeit hat seitdem viele Veränderungen hervorgebracht. Als ich hier ankam, war alles in der Frische des Mai’s; das Laub der Bäume war noch zart und durchsichtig; die Granate hatte ihre glänzende hochrothe Blüthe noch nicht abgestreift; die Fruchtgärten am Xenil und Darro standen in voller Blüthe; die Felsen waren mit wilden Blumen behangen und Granada schien vollkommen von einer Wildniß von Rosen umgeben, unter welchen unzählige Nachtigallen nicht nur Nachts, sondern den ganzen Tag hindurch sangen.
Der vorrückende Sommer hat die Rosen welk und die Nachtigallen stumm gemacht, und das entferntere Land beginnt dürr und versengt auszusehen; aber unmittelbar um die Stadt und in den tiefen engen Thälern am Fuße der schneebekappten Berge herrscht eine ewige Grüne.
Die Alhambra hat Plätzchen, welche der zunehmenden Hitze des Sommers angepaßt und unter denen die fast unterirdischen Badezimmer am merkwürdigsten sind. Diese bewahrten noch ihren alten orientalischen Charakter, obgleich die Spuren des Verfalls leider auch hier sichtbar werden. Am Eingang, der in einen kleinen, früher mit Blumen gezierten Hof führt, ist ein Saal, der nicht sehr geräumig, aber leicht und anmuthig gebaut ist. Man kann ihn von einer kleinen Galerie übersehen, die von Marmorsäulen und maurischen Bogen getragen wird. Ein Alabaster-Brunnen in der Mitte des Pflasters hebt noch seine Wasserstrahlen empor, um den Ort zu kühlen. Auf jeder Seite sind
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