Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
der über Berge und Ebenen dahin geht, hob ich mich in die Luft und sah unter mir einen köstlichen Garten mit allen Arten von Früchten und Blumen. Er lag in einer grünen Aue, an den Ufern eines schlängelnden Flusses; und in der Mitte des Gartens war ein prächtiger Palast. Ich ließ mich in eine der Baumgruppen nieder, um nach einem mühsamen Fluge auszuruhen. An dem Ufer unter mir war eine junge Prinzessin, in der ersten Lieblichkeit und Blüthe ihrer Jahre. Sie war von weiblichen Dienerinnen, jung, wie sie, umgeben, die sie mit Blumenkronen und Kränzen schmückten; aber keine Blume des Feldes oder des Gartens konnte mit ihr an Holdseligkeit verglichen werden. Allein sie blühte hier in geheimem, denn der Garten war von hohen Mauern umgeben und kein Sterblicher durfte eintreten. Als ich diese schöne Maid sah, so jung, so unschuldig, so unbefleckt von der Welt, dachte ich, hier sey ein Wesen, das der Himmel geschaffen habe, meinem Prinzen Liebe einzuflößen.«
Die Erzählung war ein Feuerfunken in das brennbare Herz Ahmed’s. All die stille Liebessehnsucht seines Wesens hatte plötzlich einen Gegenstand gefunden, und er faßte eine unermeßliche Leidenschaft für die Prinzessin. Er schrieb einen in der leidenschaftlichsten Sprache abgefaßten Brief, der seine glühende Liebe athmete, aber die unglückliche Gefangenschaft seiner Person beklagte, welche ihn abhielt, sie aufzusuchen und sich zu ihren Füßen zu werfen. Er legte Strophen voll der zärtlichsten und rührendsten Beredsamkeit bei; denn er war von Natur ein Dichter und von Liebe begeistert. Er überschrieb seinen Brief – »An die unbekannte Schönheit, von dem gefangenen Prinzen Ahmed;« er durchdüftete ihn mit Moschus und Rosen und gab ihn der Taube.
»Fort, treuester der Boten!« sagte er. »Fliege über Berg und Thal, über Fluß und Ebene; ruhe nicht im Laub, setze deinen Fuß nicht auf die Erde, ehe du diesen Brief der Herrin meines Herzens gegeben hast.«
Die Taube schwebte hoch in die Luft empor, sie sah ihren Weg und schoß in einer graden Richtung davon. Der Prinz folgte ihr mit den Augen, bis sie ein bloßer Punkt an einer Wolke war und allmählig hinter einem Berg verschwand.
Tag um Tag harrte er auf die Rückkehr des Liebesboten, aber vergeblich. Er fing an, ihn der Vergeßlichkeit anzuklagen, als eines Abends gegen Sonnenuntergang der treue Vogel in sein Gemach flatterte, zu seinen Füßen fiel und starb. Der Pfeil eines muthwilligen Bogenschützen hatte seine Brust durchbohrt, doch hatte er noch seine letzte Lebenskraft aufgeboten, um seine Botschaft auszurichten. Wie der Prinz sich kummervoll über diesen holden Martyr der Treue beugte, sah er eine Perlenschnur um seinen Hals, an welche unter dem Flügel ein kleines Bild in Email befestigt war. Es stellte eine holde Prinzessin, in der ersten Blüthe des Lebens, dar. Es war ohne allen Zweifel die unbekannte Schönheit des Gartens; aber wer und wo war sie – wie hatte sie seinen Brief aufgenommen und wurde dieses Gemälde als ein Zeichen ihrer Billigung seiner Leidenschaft gesendet? Unglücklicher Weise ließ der Tod der treuen Taube alles in Geheimniß und Zweifel.
Der Prinz blickte auf das Gemälde, bis seine Augen in Thränen schwammen. Er drückte es an seine Lippen, an sein Herz; er saß Stunden lang, und betrachtete es, fast in einem Todeskampf der Zärtlichkeit. »Schönes Bild!« sagte er: »ach, du bist nur ein Bild! Aber deine thauigen Augen glänzen zärtlich auf mich; diese rosigen Lippen scheinen Ermuthigung auszusprechen. Eitle Träume! haben sie nicht einem glücklichern Nebenbuhler eben so gelächelt? Aber wo in der weiten Welt kann ich hoffen, das Original zu finden? Wer weiß, welche Gebirge, welche Reiche uns trennen, – welche Unfälle eintreten können! Vielleicht sammeln sich jetzt, eben jetzt Anbeter um sie, während ich als ein Gefangener hier in einem Thurme sitze, und meine Zeit mit der Anbetung eines gemalten Schattens verliere.«
Der Entschluß des Prinzen Ahmed war gefaßt. »Ich will aus diesem Palaste fliehen,« sagte er, »der ein verhaßtes Gefängniß geworden ist, und will als ein Liebespilger diese unbekannte Prinzessin in der ganzen Welt suchen.«
Während des Tags, wenn alles wach war, aus dem Thurm zu fliehen, war schwierig; aber des Nachts war der Palast nur unbedeutend bewacht, denn niemand fürchtete irgend einen Versuch der Art von dem Prinzen, der immer in seiner Gefangenschaft sich so leidend verhielt. Wie aber sollte er sich bei
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