Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
hing, aber mit dem Zwielicht im Schlarren-Style ausflog. Sie hatte aber über alle Gegenstände nur Zwielichtsideen, verspottete Dinge, von denen sie nur unvollkommene Kenntnisse hatte und schien an nichts Freude zu haben.
Außer diesen war auch eine Schwalbe da, von welcher der Prinz anfangs sehr eingenommen war. Sie hatte ein gutes Mundwerk, war aber ruhlos, lärmend und immer auf den Flügeln; selten blieb sie lange genug zu einer fortgesetzten Unterhaltung. Es fand sich zuletzt, daß sie eine bloße Schwätzerin war, die nur über die Oberfläche der Dinge hinstreifte, alles zu wissen vorgab, aber nichts gründlich wußte.
Dies waren die einzigen gefiederten Freunde, mit welchen der Prinz Gelegenheit hatte, die neu erlernte Sprache zu üben; der Thurm war zu hoch, als daß die andern Vögel ihn hätten besuchen können. Er wurde seiner neuen Freunde bald müde, deren Unterhaltung so wenig zu seinem Kopfe und gar nicht zu seinem Herzen sprach; allmählig verfiel er wieder in seine Einsamkeit. Ein Winter verging, der Frühling erschloß alle seine Blüthen, sein Grün und seine duftige Süße und die glückliche Zeit kam, wo sich die Vögel paaren und ihre Nester bauen. Gleichsam in Einem Augenblick erscholl ein allgemeiner Ausbruch von Gesang und Melodie in den Lauben und Gärten des Generalife und erreichte den Prinzen in der Einsamkeit seines Thurmes. Von allen Seiten hörte er dasselbe allgemeine Wort – Liebe – Liebe – Liebe – in allen Tönen und Weisen singen und beantworten. Schweigend und verwirrt lauschte der Prinz. »Was mag diese Liebe seyn,« dachte er, »von welcher die Welt so voll scheint und von der ich nichts weiß?« Er wandte sich an seinen Freund, den Habicht, um sich belehren zu lassen. Der wüste Vogel antwortete in verächtlichem Tone: »du mußt dich an die gemeinen friedlichen Vögel der Erde drunten wenden, welche geschaffen sind, uns Fürsten der Luft zur Beute zu dienen. Mein Gewerbe ist der Krieg und der Kampf meine Freude. Mit einem Worte, ich bin ein Krieger und weiß nichts von einem Dinge, das man Liebe heißt.«
Der Prinz wandte sich mit Abscheu von ihm und suchte die Eule in ihrem Loche auf. »Dies ist ein Vogel von friedlichen Sitten,« sagte er, »und kann wohl meine Frage beantworten.« So bat er dann die Eule um Auskunft, was diese Liebe sey, von welcher alle Vögel in den Gebüschen drunten sängen.
Die Eule aber nahm eine Miene beleidigter Würde an: »Meine Nächte,« sagte sie, »sind dem Studium und Forschen geweiht und meine Tage dem Nachdenken in meiner Zelle über alles, was ich gelernt habe. Was diese Singvögel betrifft, von denen du sprichst, so höre ich nie auf sie – ich verachte sie und ihre Worte. Allah sey gelobt, ich kann nicht singen; ich bin ein Philosoph und weiß nichts von diesem Dinge, das Liebe genannt wird.«
Der Prinz begab sich nun zu dem Gewölbe, wo seine Freundin, die Fledermaus, an den Beinen hing, und trug ihr dieselbe Frage vor. Die Fledermaus zog ihre Nase mit einem höchst verdrießlichen Ausdruck empor. »Warum störst du mich in meinem Morgenschlaf mit einer solchen müssigen Frage?« versetzte sie grämlich. »Ich fliege nur in der Dämmerung umher, wenn alle Vögel schlafen und bekümmere mich nicht um ihr Treiben. Ich bin weder Vogel noch Säugthier und danke dem Himmel dafür. Ich habe sie alle als Schurken kennen gelernt und hasse die einen, wie die andern. Mit einem Wort, ich bin ein Misanthrop – und weiß nichts von dem Ding, das Liebe genannt wird.«
Die letzte Zuflucht des Prinzen war jetzt die Schwalbe: er suchte sie auf und hielt sie an, als sie eben die Zinnen des Thurmes umkreiste. Die Schwalbe war, wie gewöhnlich, in einer mächtigen Eile und hatte kaum Zeit zu antworten. »Auf mein Wort,« sagte sie, »ich habe so viele öffentliche Geschäfte und muß so vielen Arbeiten obliegen, daß ich keine Zeit habe, über die Sache nachzudenken. Ich habe täglich tausend Besuche zu machen und tausend wichtige Geschäfte zu besorgen, so daß ich nicht einen Augenblick Muße für diese kleinen Sing-Sang-Geschichten habe. Mit einem Wort, ich bin ein Weltbürger – ich weiß nichts von dem Dinge, das Liebe genannt wird.« Bei diesen Worten schoß die Schwalbe in das Thal hinab und war augenblicklich aus dem Blicke verschwunden.
Der Prinz stand getäuscht und verwirrt da; aber seine Neugier war durch die Schwierigkeit, sie zu befriedigen, nur reger geworden. Während er in dieser Stimmung war, trat sein alter Hüter in
Weitere Kostenlose Bücher