Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
dieser nächtlichen Flucht zurecht finden, da er die Gegend nicht kannte? Die Eule fiel ihm ein, die gewöhnt war, des Nachts umher zu streifen, und jeden Nebenweg, jeden geheimen Gang kennen mußte. Er suchte sie in ihrer Einsiedelei auf, und fragte sie hinsichtlich ihrer Kenntniß des Landes. Darauf nahm die Eule ein mächtig wichtiges Wesen an, und sagte: »du mußt wissen, o Prinz, daß wir Eulen von einer sehr alten und ausgebreiteten Familie sind, obgleich sie vielleicht etwas in Verfall kam, und daß wir in allen Theilen Spaniens zertrümmerte Schlösser und Paläste besitzen. Es ist kaum ein Thurm auf diesen Bergen, oder eine Veste in den Ebenen, oder eine alte Burg in der Stadt, in welcher nicht irgend ein Oheim oder ein Vetter wohnt; indem ich nun diese meine zahlreiche Verwandtschaft zu besuchen die Runde machte, habe ich in jede Ecke und in jeden Winkel geschaut, und mich mit allen Geheimnissen des Landes vertraut gemacht.« Der Prinz war überfroh, die Eule in der Ortskunde so tief bewandert zu finden, und vertraute ihr nun seine zärtliche Leidenschaft und seine beabsichtigte Entweichung an, und drang in sie, ihn auf der Reise zu begleiten, und mit ihrem Rath zu unterstützen.
»Warlich!« sagte die Eule mit einem unfreundlichen Blicke: »bin ich ein Vogel, der sich mit Liebeshändeln befaßt? ich, deren Zeit dem Nachdenken und dem Mond geweiht ist?«
»Sey nicht bös, höchst ehrwürdige Eule,« versetzte der Prinz, »entziehe dich eine Weile dem Mond und dem Nachdenken, und sey mir bei meiner Flucht behülflich, und du sollst haben, was dein Herz wünschen kann.«
»Das habe ich bereits,« sagte die Eule, »einige Mäuse reichen für meinen frugalen Tisch hin, und diese Mauerhöhle ist geräumig genug für meine Studien, und was verlangt ein Philosoph, wie ich, mehr?«
»Bedenke, weiseste Eule! Während du in deiner Zelle die Augen verdrehst und den Mond anstarrst, gehen alle deine Geistesgaben für die Welt verloren. Ich werde eines Tages gebietender Fürst, und kann dich zu irgend einer Stelle von Ehre und Rang befördern.«
Obschon der Vogel ein Philosoph und über die gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens erhaben war, so war er doch nicht ohne Ehrgeiz; so wurde er denn endlich dahin gebracht, mit dem Prinzen zu fliehen, und sein Führer und Mentor bei dieser Pilgerschaft zu werden.
Die Pläne eines Liebhabers sind schnell ausgeführt. Der Prinz nahm alle seine Juwelen zusammen, und verbarg sie zur Bestreitung der Reisekosten in seinem Gewand. Noch in dieser Nacht ließ er sich an seiner Schärpe von einem Balkon des Thurms, kletterte über die Außenmauer des Generalife, und entfloh, von der Eule geführt, noch vor Anbruch des Morgens in das Gebirge.
Er hielt mit seinem Führer Rath über seinen künftigen Weg.
»Wenn ich rathen darf,« sagte die Eule, »so empfehle ich, nach Sevilla zu gehen. Du mußt wissen, daß ich vor vielen Jahren einen Oheim besuchte, einen Vogel von hohem Rang und Ansehen, der dort in einem zerfallenen Winkel des Alcazar wohnt. Bei meinen nächtlichen Streifereien über der Stadt bemerkte ich häufig ein Licht, das in einem einsamen Thurme brannte. Endlich ließ ich mich auf die Zinnen nieder, und fand, daß es von der Lampe eines arabischen Zauberers ausging; er war von seinen magischen Büchern umgeben, und auf seiner Schulter saß sein Vertrauter, ein alter Rabe, der mit ihm aus Aegypten gekommen war. Ich bin mit diesem Raben bekannt, und schulde ihm einen großen Theil der Kenntnisse, die ich besitze. Der Zauberer ist seitdem gestorben, aber der Rabe bewohnt den Thurm noch, denn diese Vögel haben ein wunderbar langes Leben. Ich rathe dir, o Prinz, diesen Raben aufzusuchen, denn er ist ein Wahrsager und Beschwörer, und treibt die Schwarzkunst, derentwegen alle Raben, und besonders die Aegyptens, berühmt sind.«
Die Weisheit dieses Rathes drang sich dem Prinzen auf, und er nahm demnach seinen Weg nach Sevilla. Seinem Gefährten zu Gefallen reiste er nur des Nachts, und hielt während des Tags in irgend einer dunkeln Höhle oder zerfallenen Warte an, denn die Eule kannte jeden Schlupfwinkel dieser Art, und hatte einen höchst antiquarischen Geschmack an Ruinen.
Endlich erreichten sie eines Morgens bei Tagesanbruch die Stadt Sevilla, wo die Eule, welche den Glanz und das Lärmen der überfüllten Straßen haßte, vor dem Thore anhielt, und ihre Wohnung in einem hohlen Baume nahm.
Der Prinz trat in das Thor, und fand alsbald den magischen Thurm, der über die
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