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Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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anderes Wesen; allein er ist oft langweilig und ich fühle mich manchmal glücklicher ohne seine Gesellschaft.«
    »Dies ist nicht das Gleichgefühl, welches ich meine. Ich spreche von der Liebe, dem großen Geheimniß und Prinzip des Lebens; der berauschenden Jugendlust, der nüchternen Freude des Alters. Blick hinaus, mein Prinz, und sieh, wie voller Liebe die ganze Natur in dieser glücklichen Jahreszeit ist. Jedes geschaffene Wesen hat seinen Gespielen; der unbedeutendste Vogel singt seiner Buhlin; selbst der Käfer wirbt um sein Weibchen im Staub, und jene Schmetterlinge, die du hoch über dem Thurm flattern und in der Luft spielen siehst, sind glücklich in ihrer gegenseitigen Liebe. Ach, mein Prinz, hast du so viele der köstlichen Jugendtage verlebt, ohne etwas von Liebe zu wissen? Gibt es kein holdes Wesen des andern Geschlechtes – keine schöne Prinzessin oder liebliches Fräulein, die dein Herz gefesselt und deine Brust mit einem sanften Sturm süßer Pein und zärtlicher Wünsche erfüllt hat?«
    »Ich fange an zu verstehen,« sagte der Prinz seufzend: »solch einen Sturm habe ich mehr als einmal gefühlt, ohne den Grund zu kennen; – und wo soll in dieser öden Einsamkeit einen Gegenstand suchen, wie du ihn beschreibst?«
    Die Unterhaltung wurde noch einen Augenblick fortgesetzt und die erste Liebeslection des Prinzen war geschlossen.
    »Ach,« sagte er, »wenn die Liebe wirklich eine solche Wonne, und ihre Unterbrechung solch ein Elend ist, so verhüte Allah, daß ich die Freude irgend eines ihrer Verehrer störe!« Er öffnete den Käfig, nahm die Taube heraus und trug sie, nachdem er sie zärtlich geküßt hatte, an’s Fenster. »Gehe, glücklicher Vogel,« sagte er, »freue dich des Freundes deines Herzens in den Tagen der Jugend und der Frühlingszeit. Warum soll ich dich zum Mitgefangenen in diesem öden Thurme machen, in welchem die Liebe nie eintreten kann?«
    Die Taube öffnete ihre Flügel mit Entzücken, schoß mit Einem Schwung in die Luft und senkte sich dann mit zischenden Fittigen in die blühenden Laubengehänge am Darro.
    Der Prinz folgte ihr mit den Augen und gab nun bitterm Unwillen Raum. Das Singen der Vögel, das ihn sonst ergötzte, vermehrte jetzt seine Bitterkeit. Liebe! Liebe! Liebe! Ach, armer Jüngling, er verstand jetzt die Töne.
    Seine Augen sprühten Feuer, als er den weisen Bonabben zuerst wieder sah. »Warum hast du mich in dieser tiefen Unwissenheit gelassen?« rief er. »Warum ist mir das große Geheimniß und Prinzip des Lebens vorenthalten worden, in welchem ich das kleinste Insekt so bewandert finde? Sieh, die ganze Natur ist in einem Taumel der Lust. Jedes geschaffene Wesen erfreut sich seines Gespielen. Dies – dies ist die Liebe, in welcher ich unterrichtet seyn wollte. Warum bin ich allein von ihren Freuden ausgeschlossen? Warum ist ein so großer Theil meiner Jugend ohne die Kenntniß ihrer Freuden vergeudet worden?«
    Der weise Bonabben sah, daß alle fernere Zurückhaltung nutzlos war; denn der Prinz hatte die gefährliche und verbotene Kenntniß erlangt. Er enthüllte ihm daher die Vorhersagung der Astrologen und die Vorsicht, welche man bei seiner Erziehung angewendet hatte, um dies gedrohte Unheil abzuwenden. »Und nun, mein Prinz,« setzte er hinzu, »ist mein Leben in deinen Händen. Wenn dein Vater entdeckt, daß du die Leidenschaft der Liebe kennen gelernt, während du unter meiner Aufsicht warst, so muß mein Kopf dafür büßen.«
    Der Prinz war so vernünftig wie ein guter Theil junger Leute seines Alters und hörte gern auf die Vorstellungen seines Führers, da nichts gegen dieselben sprach. Ueberdies war er dem weisen Bonabben wirklich zugethan und da er bis jetzt nur theoretisch von der Leidenschaft der Liebe unterrichtet war, so willigte er ein, die Kenntniß derselben lieber bei sich zu bewahren, als den Kopf des Philosophen in Gefahr zu bringen.
    Seine Großmuth sollte aber auf weitere Proben gestellt werden. Als er einige Morgen darauf auf den Zinnen des Thurmes sinnend umherging, kreiste die Taube, der er die Freiheit wieder gegeben hatte, über ihm in der Luft und ließ sich furchtlos auf seine Schulter nieder.
    Der Prinz drückte sie an sein Herz. »Glücklicher Vogel,« sagte er, »der so zu sagen auf den Schwingen des Morgens zu den äußersten Theilen der Erde fliegen kann. Wo warst du, seit wir schieden?«
    »In einem weiten Lande, mein Prinz, von wannen ich dir zum Lohn für meine Freiheit Nachricht bringe. In meinem wilden Flug,

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