Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
eines Königreichs, und werde eines Tags einen Thron einnehmen. Ich sehe, du bist ein Vogel von Talent, und kennst die Welt. Hilf mir in den Besitz dieser Prinzessin, und ich werde dich zu einer ausgezeichneten Stelle am Hofe befördern.«
»Von ganzem Herzen,« sagte der Papagei; »aber laß es, wenn möglich, ein Faulamt seyn, denn wir schönen Geister haben gegen das Arbeiten einen großen Widerwillen.«
Die Uebereinkunft wurde alsbald getroffen. Der Prinz verließ Cordova durch dasselbe Thor, durch welches er gekommen war, rief die Eule aus dem Mauerloch, stellte sie seinem neuen Reisegenossen als eine Mitgelehrte vor, und man trat nun die Reise an.
Es ging bei weitem nicht so schnell, als die Ungeduld des Prinzen es wünschte; allein der Papagei war an das vornehme Leben gewöhnt, und hatte es nicht gern, daß man ihn früh Morgens störte. Auf der andern Seite schlief die Eule gern um Mittag, und verlor viele Zeit mit ihren langen Siesta’s. Auch war ihr antiquarischer Geschmack hinderlich; denn sie bestand darauf, bei jeder Ruine anzuhalten, und sie zu beschauen, und hatte lange märchenhafte Geschichten von jedem alten Thurm und jedem Schlosse in dem Lande zu erzählen. Der Prinz hatte gehofft, sie und den Papagei, beide Vögel von Gelehrsamkeit, würden in ihrer gegenseitigen Gesellschaft Freude finden, allein er hatte sich nie mehr geirrt. Sie waren ewig im Streit. Der eine war ein Schöngeist, der andere ein Philosoph. Der Papagei citirte Poesien, kritisirte neue Lesearten, und war über kleine Punkte der Gelehrsamkeit beredt; die Eule behandelte alles dieß Wissen als nichtig, und fand an nichts Geschmack, als an Metaphysik. Dann sang der Papagei Lieder, wiederholte gute Einfälle, und riß Witze auf seinen feierlichen Nachbarn, und lachte schmählich über seine eignen Späße; welches ganze Benehmen die Eule als einen empfindlichen Eingriff in ihre Würde ansah, und schmollte, zürnte und sich erboßte, und einen ganzen langen Tag stumm blieb.
Der Prinz beachtete die Zänkereien seiner Gefährten nicht, da er in den Träumen seiner eignen Phantasie und der Betrachtung des Porträts der schönen Prinzessin verloren war. Auf diese Weise reisten sie durch die rauhen Pässe der Sierra Morena, über die sonnenverbrannten Ebenen der Mancha und Castiliens, und die Ufer des goldnen Tajo entlang, der seine zauberischen Irrwege durch halb Spanien und Portugal windet. Endlich kamen sie zu einer festen Stadt mit Mauern und Thürmen, die auf einen felsigen Bergvorsprung gebaut war, um dessen Fuß der Tajo mit lärmender Heftigkeit kreiste.
»Sieh,« rief die Eule, »die alte und berühmte Stadt Toledo, eine wegen ihrer Alterthümer berühmte Stadt. Sieh diese ehrwürdigen Dome und Thürme, grau von der Zeit und mit sagenreicher Größe umgeben, die Scene des Nachdenkens so vieler meiner Ahnen.«
»Still!« rief der Papagei, ihr feierliches antiquarisches Entzücken unterbrechend. »Was gehen uns Alterthümer und Sagen und deine Ahnen an? Sieh das, woran hier mehr liegt – sieh die Wohnung der Jugend und Schönheit – sieh endlich, o Prinz, die Wohnung deiner lange gesuchten Prinzessin.«
Der Prinz sah in der von dem Papagei angezeigten Richtung, und erblickte in einer herrlichen grünen Aue an den Ufern des Tajo einen stattlichen Palast, der aus dem Laubwerk eines köstlichen Gartens emporstieg. Der Ort stimmte ganz genau mit der Beschreibung zusammen, welche ihm die Taube gegeben hatte. Er sah mit klopfendem Herzen hin. »Vielleicht,« dachte er, »spielt die schöne Prinzessin in diesem Augenblick unter jenen schattigen Laubengängen, oder durchschreitet mit zartem Tritte jene schöne Terassen, oder ruht unter jenen hohen Dächern!« Als er genauer hinsah, bemerkte er, daß die Gartenmauern sehr hoch waren, so daß sie jedem Zugang trotzten, während Schaaren bewaffneter Wachen um sie kreisten.
Der Prinz wendete sich zu dem Papageien: »Vollkommenster aller Vögel,« sagte er, »du hast die Gabe der menschlichen Rede. Eile in jenen Garten, suche das Idol meiner Seele, und sage ihr, Prinz Ahmed, ein Liebespilger, und von den Sternen geführt, sey, sie suchend, an den blumigen Ufern des Tajo angekommen.«
Stolz auf seine Gesandtenrolle, flog der Papagei dem Garten zu, schwang sich über seine hohen Mauern, schwebte eine Zeitlang über die Gänge und Alleen desselben, und ließ sich auf dem Balkon eines Pavillons, der auf den Fluß ging, nieder. Hier sah er, als er durch ein Fenster blickte, die
Weitere Kostenlose Bücher