Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Prinzessin auf ein Lager hingegossen, und das Auge auf ein Papier geheftet, während Thränen sich sachte über ihre blassen Wangen herabstahlen.
Der Papagei putzte seine Flügel einen Augenblick, machte seinen hellgrünen Rock zurecht, hob seine Kopfschleife, und setzte sich mit einem zierlichen Wesen neben ihr nieder; dann nahm er einen zärtlichen Ton an und sagte: »Trockne deine Thränen, schönste der Prinzessinnen, ich komme, deinem Herzen Trost zu bringen.«
Die Prinzessin erschrack, als sie eine Stimme neben sich hörte, drehte sich aber um, und da sie nichts sah, als einen kleinen grünröckigen Vogel, der sich vor ihr neigte und beugte, sagte sie: »ach, welchen Trost kannst du geben, da ich sehe, daß du nur ein Papagei bist?«
Den Papagei ärgerte diese Frage. »Ich habe zu meiner Zeit manche holde Dame getröstet,« sagte er. »Doch nichts davon. Jetzt komme ich als Gesandter eines königlichen Prinzen. Wisse, daß Ahmed, der Prinz von Granada, hier angekommen ist, dich zu suchen, und daß er eben jetzt auf den blumigen Ufern des Tajo gelagert ist!«
Die Augen der schönen Prinzessin funkelten bei diesen Worten heller, als die Diamanten in ihrer kleinen Krone. »O lieblichster der Papageien,« rief sie, »wonnig sind in der That deine Nachrichten, denn ich war zag und verdrüßlich, und fast todtkrank aus Ungewißheit über Ahmeds Treue. Begib dich zurück, und sag ihm, die Worte seines Briefes seyen in mein Herz gegraben, und seine Gedichte seyen die Nahrung meiner Seele gewesen. Sag ihm aber auch, er müsse sich rüsten, seine Liebe durch die Kraft der Waffen zu bewähren; morgen ist mein siebenzehnter Geburtstag, wo der König, mein Vater, ein großes Turnier hält; mehrere Prinzen werden in den Schranken erscheinen, und meine Hand wird der Preis des Siegers seyn.«
Der Papagei machte sich, durch das Gebüsch rauschend, davon, und flog zu dem Prinzen zurück. Das Entzücken Ahmeds, das Original seines angebeteten Porträts gefunden zu haben, und sie hold und treu zu wissen, begreifen nur die begünstigten Sterblichen, welche das Glück gehabt haben, Tagträume verwirklicht und Schatten in Wesenheit verwandelt zu sehen. Aber Eines mäßigte noch sein Entzücken – dieses bevorstehende Turnier. In der That, die Ufer des Tajo glänzten schon von Waffen, und hallten von den Trompeten der vielen Ritter wieder, die mit stolzem Gefolge Toledo entgegen zogen, um dem Feste beizuwohnen. Derselbe Stern, der das Schicksal des Prinzen lenkte, hatte auch über das der Prinzessin bestimmt, und bis zu ihrem siebenzehnten Jahre war sie von der Welt abgeschlossen gewesen, um sie vor der zärtlichen Leidenschaft zu bewahren. Der Ruf von ihren Reizen war aber durch diese Abschließung eher erhöht als verdunkelt worden. Mehrere mächtige Fürsten hatten sich um ihre Hand beworben; ihr Vater, ein König von wunderbarer Schlauheit, wollte sich keine Feinde machen, indem er für einen derselben entschied, und verwieß sie auf die Entscheidung durch die Waffen. Unter den Mitbewerbern waren mehrere wegen ihrer Kraft und Tapferkeit berühmt. Welch ein Zustand für den unglücklichen Ahmed, der nicht mit Waffen versehen und in den Künsten des Ritterthums nicht geübt war. »Unseliger Prinz, der ich bin,« sagte er, »daß ich in der Abgeschiedenheit unter den Augen eines Philosophen auferzogen wurde! Was nützen mir nun Algebra und Philosophie in Liebesangelegenheiten? Ach, Eben Bonabben, warum hast du es versäumt, mich in dem Gebrauch der Waffen zu unterrichten?« Bei diesen Worten brach die Eule ihr Schweigen, und ließ ihrer Rede einen Ausruf vorangehen, denn dieser Vogel war ein frommer Muselmann.
»Allah Akbar! Gott ist groß!« rief sie. »In seinen Händen sind alle geheimen Dinge – er allein regiert das Geschick der Prinzen! – Wisse, o Prinz, daß dieses Land voller Geheimnisse ist, welche nur denen erschlossen sind, die, wie ich, im dunkeln nach den Wissenschaften tappen können. Wisse, daß in den benachbarten Bergen eine Höhle ist; in dieser Höhle nun ist ein eiserner Tisch, und auf diesem eisernen Tisch liegt eine vollständige magische Rüstung, und neben dem Tisch steht ein bezaubertes Pferd, was alles viele Geschlechter hindurch dort abgeschlossen ist.«
Der Prinz war außer sich vor Staunen, während die Eule, mit ihren großen runden Augen blinzelnd, und ihre Hörner spitzend, fortfuhr.
»Vor vielen Jahren begleitete ich meinen Vater bei einer Reise durch seine Besitzungen in diese Gegenden,
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