Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
erbaut, der die königliche Veste von dem Gebiete des Generalife trennte, sich niederließ. Es war in der That der »Thurm der Prinzessinnen.«
Der Page stieg in die Schlucht hinab und näherte sich dem Thurm, aber dieser hatte keinen Eingang von dem Thälchen und seine große Höhe machte jeden Versuch, ihn zu ersteigen, vergeblich. Er machte daher, indem er eines der Thore der Veste suchte, einen weiten Umweg gegen die innerhalb der Mauern gelegene Seite des Thurms.
Vor dem Thurm lag ein Garten, von einem Zaun von Schilf umschlossen, der mit Myrthen überhangen war. Der Page öffnete ein Pförtchen und ging durch Blumenbeete und Rosengebüsch zu der Thüre. Sie war verschlossen und verriegelt. Eine Ritze in der Thüre ließ ihn in das Innere blicken und er sah einen kleinen maurischen Sal mit Wänden in Stuccoarbeit, leichten Marmorsäulen und einem Alabasterbrunnen, den Blumen umgaben. In der Mitte hing ein vergoldeter Käfig mit einem Singvogel, darunter lag auf einem Stuhle eine gesprenkelte Katze, darneben eine Seidenwinde und andere Gegenstände weiblicher Arbeit, und eine Guitarre, mit Bändern geziert, war an den Brunnen gelehnt.
Ruyz de Alarcon staunte über diese Spuren weiblicher Zierlichkeit und Anmuth in einem einsamen und wie er geglaubt hatte, verlassenen Thurm. Sie erinnerten ihn an die in der Alhambra gängen Märchen von bezauberten Sälen und die gesprengelte Katze sollte wohl eine bezauberte Prinzessin seyn.
Er klopfte leise an der Thüre. Ein schönes Gesicht schaute oben aus einem kleinen Fenster, zog sich schnell aber wieder zurück. Er wartete in der Hoffnung, die Thüre würde geöffnet werden; aber sein Harren war umsonst; kein Fußtritt war drinnen zu hören – alles war stumm. Hatten ihn seine Augen getäuscht oder war die holde Erscheinung die Fee des Thurms? Er klopfte wieder und härter. Nach einer kleinen Weile blickte das strahlende Gesichtchen wieder heraus; es war das eines blühenden fünfzehnjährigen Mädchens.
Der Page nahm augenblicklich seine mit Federn geschmückte Mütze ab und bat in dem höflichsten Tone um die Erlaubniß, den Thurm besteigen zu dürfen, um seinen Falken zu holen.
»Ich darf die Thüre nicht öffnen, Sennor,« erwiederte das kleine Mädchen erröthend, »meine Tante hat es verboten.«
»Ich bitte Euch, schöne Maid – es ist der Lieblingsfalke der Königin: ich darf ohne ihn nicht in den Palast zurückkehren.«
»Ihr seyd also einer der Hofkavaliere?«
»So ist’s, schöne Maid; allein ich werde um die Gunst der Königin und um meine Stelle kommen, wenn ich den Falken verliere.«
»Santa Maria! vor euch Hofkavalieren hat mir meine Taute ganz absonderlich befohlen die Thüre zu verriegeln.«
»Ohne Zweifel vor schlechten Kavalieren; aber ich bin kein solcher, sondern ein einfacher, harmloser Page, der unglücklich und elend seyn wird, wenn ihr die kleine Bitte nicht gewährt.«
Das Unglück des Pagen rührte das Herz des kleinen Mädchens. Es wäre doch gar zu Schade gewesen, wenn er durch die Verweigerung einer so unbedeutenden Bitte um seine Stelle gekommen wäre. Er konnte auch gewiß keines jener gefährlichen Wesen seyn, welche ihre Tante als eine Art Kannibalen, stets bereit, gedankenlose Mädchen zu ihrem Raub zu machen, geschildert hatte; er war sanft und bescheiden und stand so bittend da, die Mütze in der Hand, und sah so schön aus.
Der schlaue Page sah, daß die Besatzung zu wanken anfing und verdoppelte seine Bitten in so rührenden Ausdrücken, daß es nicht in der Natur sterblicher Mädchen gewesen wäre, ihn abzuweisen; so kam denn die kleine erröthende Wächterin des Thurmes herab und öffnete die Thüre mit bebender Hand; und wenn der Page bei dem flüchtigen Anschaun ihres Gesichtes vom Fenster herab entzückt war, so wurde er, als die ganze Gestalt sich ihm darstellte, bezaubert, hingerissen.
Ihr andalusisches Leibchen und die hübsche Basquinna hoben das volle aber zarte Ebenmaß ihrer Gestalt hervor, die ihre jungfräuliche Ausbildung kaum erreicht hatte. Ihr glänzendes Haar war auf der Stirn mit gewissenhafter Genauigkeit getheilt und, dem allgemeinen Gebrauch des Landes zufolge, mit einer frisch gepflückten Rose geschmückt. Es ist wahr, ihr Gesicht war von der Glut einer südlichen Sonne etwas gebräunt, aber dies diente nur, die reiche Blüthe ihrer Wangen zu zeigen und den Glanz ihrer schmelzenden Augen zu erhöhen.
Ruyz de Alarcon sah alles dies auf einen Blick, denn es kam ihm nicht zu, zu zögern; er
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