Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Boden öffnete sich mit einem donnernden Schall, und die schmale Treppe ward sichtbar. Der Alcalde, der Aguazil und der Barbier waren schreckenbleich, und konnten nicht so viel Muth finden, hinabzusteigen. Der Maure und der Wasserträger traten in das untere Gewölbe, und fanden die zwei Mauren stumm und regungslos, wie früher, dasitzen. Sie hoben zwei große mit Goldmünzen und kostbaren Steinen gefüllte Gefäße weg. Der Wasserträger schleppte sie, einen nach dem andern, auf seinen Schultern hinauf; obgleich er aber ein senniger kleiner Mann, und an das Tragen von Lasten gewöhnt war, wankte er doch unter ihrem Gewichte, und fand, als er sie auf den beiden Seiten seines Esels befestigt hatte, daß sie so viel ausmachten, als sein Esel nur tragen konnte.
»Laßt uns für jetzt zufrieden seyn,« sagte der Maure, »wir haben hier so viel Kostbares, als wir ohne bemerkt zu werden, fortschaffen können, und genug, um uns alle so reich zu machen, als das Herz es nur verlangen kann.«
»Ist der Schatz noch nicht ganz in unsern Händen?« fragte der Alcalde.
»Das Kostbarste,« sagte der Maure, »ist noch zurück – eine große mit Stahlbanden geschlossene Kiste, mit Perlen und Edelsteinen angefüllt.«
»Wir müssen diese Kiste haben, es koste, was es wolle,« rief der habsüchtige Alcalde.
»Ich werde nicht mehr hinabgehen,« sagte der Maure verdrießlich; »genug ist genug für einen Vernünftigen – mehr ist überflüßig.«
»Und ich,« sagte der Wasserträger, »werde keine Last mehr herauftragen, meines armen Esels Rücken zu brechen.«
Da der Alcalde Befehle, Drohungen und Bitten gleich vergeblich fand, wendete er sich zu seinen Getreuen. »Helft mir,« sagte er, »die Kiste heraufbringen, und ihr Inhalt soll unter uns getheilt werden.« Bei diesen Worten stieg er die Treppen hinab, und zitternd und widerstrebend folgten ihm der Alguazil und der Barbier.
Der Maure sah sie kaum in der Tiefe, so verlöschte er die gelbe Kerze; der Boden schloß sich mit dem gewöhnlichen Schall, und die drei Helden blieben im Schoos der Erde vergraben.
Er eilte jetzt die verschiedenen Treppen herauf, und holte erst Athem, als er unter freiem Himmel war. Der kleine Wasserträger folgte ihm so schnell, als es seine kurzen Beine gestatteten.
»Was hast du gethan,« rief Peregil, sobald er Athem geholt hatte. »Der Alcalde und die andern zwei sind in dem Gewölbe eingeschlossen.«
»Es ist der Wille Allah’s!« sagte der Maure fromm.
»Und willst du sie nicht wieder befreien?« fragte der Gallego.
»Gott bewahre!« versetzte der Maure, und strich den Bart. »Es steht in dem Buche des Schicksals geschrieben, sie sollen verzaubert bleiben, bis irgend ein künftiger Abentheurer den Bann bricht. Der Wille Gottes geschehe.« Mit diesen Worten schleuderte er das Ende der Wachskerze weit weg in das dunkle Dickicht des Thales.
Jetzt war nicht mehr zu helfen, und der Maure und der Wasserträger schritten daher mit dem reich beladenen Esel der Stadt zu. Der gute Peregil konnte sich nicht enthalten, seinen langöhrigen Arbeitsgenossen, den er so aus den Krallen der Gerechtigkeit gerettet sah, zu streicheln und zu küssen, und es steht wirklich dahin, was dem einfachen kleinen Burschen in dem Augenblick mehr Freude machte, das Gewinnen des Schatzes oder das Wiederfinden des Esels.
Die zwei Glücksbrüder theilten ihre Beute freundschaftlich und redlich, nur daß der Maure, der einige Liebhaberei an Flitterstaat hatte, es zu machen wußte, daß die Perlen, Edelsteine und anderer Tand stets auf seinen Haufen kamen; aber dann gab er dem Wasserträger immer statt der kostbaren Edelsteine gediegenes Gold, fünfmal so groß, womit der letztere herzlich zufrieden war. Sie waren bedacht, sich keinen Unannehmlichkeiten auszusetzen, sondern begaben sich in andere Länder, um sich ihres Reichthums zu erfreuen. Der Maure kehrte nach Afrika in seine Vaterstadt Tetuan zurück, und der Gallego eilte mit Frau und Kindern und seinem Esel nach Portugal. Hier wurde er unter dem Schutz und Schirm seiner Frau ein Mann von einiger Wichtigkeit; denn sie sorgte, daß der lange Körper und die kurzen Beine des würdigen kleinen Mannes mit Wamms und Hosen geschmückt wurden, setzte ihm einen Federhut auf, steckte ihm ein Schwert an die Seite, und hieß ihn seinen vertraulichen Namen Peregil mit dem wohlklingendern Titel Don Pedro Gil vertauschen. Seine Nachkommenschaft wuchs gedeihlich und fröhlichen Herzens heran, während Sennora Gil von Kopf bis zu
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