Die Alhambra oder das neue Skizzenbuch (German Edition)
Leidenschaft eines liebessiechen Mädchens zu nähren, so ist es ein Ort wie die Alhambra, wo alles dazu beiträgt, zärtliche und romantische Träumereien zu erzeugen. Sie ist ein wahres Paradies für Liebende: wie traurig daher, in einem solchen Paradies allein zu seyn – und nicht nur allein, sondern verlassen.
»Ach, albernes Kind,« – sagte wohl die gesetzte und unbefleckte Fredegonda, wenn sie ihre Nichte in ihrer trüben Laune sah: »habe ich dich nicht vor den Listen und Tücken dieser Männer gewarnt? was konntest du aber auch von dem Abkömmling einer stolzen und ehrgeizigen Familie erwarten? – du, eine Waise, der Sprößling eines gesunkenen und verarmten Geschlechtes? Sei überzeugt, wenn der Jüngling auch treu wäre, würde sein Vater, einer der stolzesten Edeln am Hofe, seine Verbindung mit einem so niedrigen und armen Wesen, wie du bist, untersagen. Fasse daher Muth und scheuche diese eiteln Gedanken aus deinem Kopfe.«
Die Worte der unbefleckten Fredegonda dienten nur, die Schwermuth ihrer Nichte zu vermehren, aber sie suchte ihr im stillen nachzuhängen. Als sich einst spät in einer Sommernacht ihre Tante zur Ruhe begeben hatte, blieb sie allein in dem Saale des Thurms an dem Alabaster-Brunnen sitzen. Hier hatte der treulose Page zuerst geknieet und ihre Hand geküßt; hier hatte er ihr so oft ewige Treue geschworen. Des armen kleinen Mädchens Herz war übervoll von traurigen und zärtlichen Erinnerungen, ihre Thränen begannen zu fließen und fielen langsam, Tropfen um Tropfen, in den Brunnen. Allmählig bewegte sich das Wasser, sprudelte auf, wogte hin und her, bis eine weibliche Gestalt, reich in maurische Gewänder gekleidet, sich langsam emporhob.
Jacinta erschrack so, daß sie aus dem Saal floh und nicht mehr zurückzukehren wagte. Am nächsten Morgen erzählte sie ihrer Tante, was sie gesehen hatte, aber die gute Frau betrachtete es für ein Schattenbild ihres beunruhigten Geistes oder dachte, sie sey eingeschlafen und habe an dem Brunnen geträumt. »Du hast an die Geschichte der drei maurischen Prinzessinnen gedacht, welche einst in diesem Thurme wohnten,« fuhr sie fort, »und dies ging in deine Träume über.«
»Welche Geschichte, Tante? ich weiß nichts davon.«
»Du hast gewiß von den drei Prinzessinnen, Zayda, Zorayda und Zorahayda gehört, welche von dem König ihrem Vater in diesen Thurm gesperrt wurden und mit drei christlichen Rittern zu fliehen beschlossen. Die zwei erstern flohen auch wirklich, aber die dritte verließ der Muth und man sagt, sie sey in diesem Thurme gestorben.«
»Ich erinnere mich jetzt davon gehört zu haben,« sagte Jacinta; »ja, ich habe über das Schicksal der holden Zorahayda oft geweint.«
»Wohl magst du über ihr Schicksal weinen,« fuhr die Tante fort; »denn Zorahayda’s Geliebter war dein Vorfahr. Er trauerte lange um seine maurische Liebe, aber die Zeit heilte ihn von seinem Gram und er heirathete eine spanische Dame, von welcher du abstammst.«
Jacinta dachte über diese Worte nach. »Was ich gesehen habe, ist kein Hirngespinnst,« sagte sie zu sich, »ich weiß es gewiß. Wenn es in der That der Geist der holden Zorahayda ist, der, wie ich höre, in diesem Thurme wandert, – wovor sollte mir bangen? Ich will heute Nacht am Brunnen bleiben – vielleicht zeigt sie sich mir noch einmal.«
Gegen Mitternacht, als alles ruhig war, setzte sie sich wieder in den Saal. Wie die Glocke in dem fernen Wartthurm der Alhambra die Stunde der Mitternacht verkündete, bewegte sich das Wasser des Brunnens wieder, es sprudelte und wogte, bis das Maurische Weib wieder empor stieg. Sie war jung und schön; ihr Kleid war reich an Juwelen und in der Hand hielt sie eine silberne Laute; Jacinta zitterte und war einer Ohnmacht nahe; aber die sanfte und klagende Stimme der Erscheinung und der liebliche Ausdruck ihres blassen schwermüthigen Gesichts beruhigten sie.
»Tochter der Sterblichen,« sagte sie, »was fehlt dir? Warum trüben deine Thränen meinen Brunnen und stören deine Seufzer und Klagen die friedlichen Wachen der Nacht?«
»Ich weine über die Treulosigkeit eines Mannes und klage um mein einsames und verlassenes Loos.«
»Tröste dich; deine Sorgen können noch ein Ende finden. Du siehst eine Maurische Prinzessin vor dir, welche, wie du, in ihrer Liebe unglücklich war. Ein christlicher Ritter, dein Ahnherr, gewann mein Herz und würde mich in sein Heimathland und in den Schooß seiner Kirche gebracht haben. In meinem Herzen war ich eine
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