Die Alpen
nichts kann widerstreben,
Der Schönheit ewig Recht, wer hat es ihr gegeben?
Des Himmels erst Gebot hat keusche Huld geweiht,
Und seines Zornes Pfand war die Unfruchtbarkeit:
Sind dann die Tugenden den Tugenden entgegen?
Der alten Kirche Fluch wird bei der neuen Segen.
›Fort, die Trompete schallt! der Feind bedeckt das Feld,
Der Sieg ist, wo ich geh, folgt, Brüder!‹ ruft ein Held.
Nicht furchtsam, wann vom Blitz aus schmetternden Metallen
Ein breit Gefild erbebt und ganze Glieder fallen,
Er steht, wann wider ihn das strenge Schicksal ficht,
Fällt schon der Leib durchbohrt, so fällt der Held noch nicht.
Er schätzt ein tödlich Blei als wie ein Freudenschießen,
Sein Auge sieht gleich frei sein Blut und fremdes fließen;
Der Tod lähmt schon sein Herz, eh daß sein Mut erliegt,
Er stirbet allzu gern, wann er im Sterben siegt.
O Held, dein Mut ist groß, es soll, was du gewesen,
Auf ewigem Porphyr die letzte Nachwelt lesen!
Allein, wann auf dem Harz, nun lang genug gequält,
Ein aufgebrachtes Schwein zuletzt den Tod erwählt,
Die dicken Borsten sträubt, die starken Waffen wetzet
Und wütend übern Schwarm entbauchter Hunde setzet,
Oft endlich noch am Spieß, der ihm sein Herz-Blut trinkt,
Den kühnen Feind zerfleischt und, satt von Rache, sinkt:
Ist hier kein Helden-Mut? Wer baut dem Hauer Säulen? -
Die Jäger werden ihn mit ihren Hunden teilen.
Wer ist der weise Mann, der dort so einsam denkt
Und den verscheuten Blick zur Erde furchtsam senkt?
Ein längst verschlissen Tuch umhüllt die rauhen Lenden,
Ein Stück gebettelt Brot und Wasser aus den Händen
Ist alles, was er wünscht, und Armut sein Gewinn;
Er ist nicht für die Welt, die Welt ist nichts für ihn.
Nie hat ein glänzend Erzt ihm einen Blick entzogen,
Nie hat den gleichen Sinn ein Unfall überwogen,
Ihm wischt kein schönes Bild die Runzeln vom Gesicht,
An seinen Taten beißt der Zahn der Mißgunst nicht;
Sein Sinn, versenkt in Gott, kann nicht nach Erde trachten,
Er kennt sein eigen Nichts, was soll er andrer achten?
Der Tugend ernste Pflicht ist ihm ein Zeitvertreib,
Der Himmel hat den Sinn, die Erde nur den Leib.
O Heiliger, geht schon dein Ruhm bis an die Sterne,
Flieh den Diogenes und fürchte die Laterne! -
Ach, kennte doch die Welt das Herz so wie den Mund!
Wie wenig gleichen oft die Taten ihrem Grund!
Du beugst den Hals umsonst, die Ehre, die du meidest,
Die Ehr ist doch der Gott, für den du alles leidest:
Wie Surena den Sieg, suchst du den Ruhm im Fliehn, Surena = Feldherr der Parther, wie sie das römische Heer unter dem unglücklichen Crassus schlugen.
Ein stärker Laster heißt dich, schwächern dich entziehn,
Und wer sich vorgesetzt, ein Halbgott einst zu werden,
Der baut ins Künftige, der hat nichts mehr auf Erden,
Ihm streicht der eitle Ruhm der Tugend Farben an,
Was heischt der Himmel selbst, das nicht ein Heuchler kann?
Versenkt im tiefen Traum nachforschender Gedanken,
Schwingt ein erhabner Geist sich aus der Menschheit Schranken.
Seht den verwirrten Blick, der stets abwesend ist
Und vielleicht itzt den Raum von andern Welten mißt;
Sein stets gespannter Sinn verzehrt der Jahre Blüte,
Schlaf, Ruh und Wollust fliehn sein himmlisches Gemüte. Newton hat keine Weibsperson berührt.
Wie durch unendlicher verborgner Zahlen Reih
Ein krumm geflochtner Zug gerecht zu messen sei;
Warum die Sterne sich an eigne Gleise halten;
Wie bunte Farben sich aus lichten Strahlen spalten;
Was für ein innrer Trieb der Welten Wirbel dreht;
Was für ein Zug das Meer zu gleichen Stunden bläht;
Das alles weiß er schon: er füllt die Welt mit Klarheit,
Er ist ein steter Quell von unerkannter Wahrheit.
Doch, ach, es lischt in ihm des Lebens kurzer Tacht,
Den Müh und scharfer Witz zu heftig angefacht!
Er stirbt, von Wissen satt, und einst wird in den Sternen
Ein Kenner der Natur des Weisen Namen lernen.
Erscheine, großer Geist, wann in dem tiefen Nichts
Der Welt Begriff dir bleibt und die Begier des Lichts,
Und laß von deinem Witz, den hundert Völker ehren,
Mein lehr-begierig Ohr die letzten Proben hören!
Wie unterscheidest du die Wahrheit und den Traum?
Wie trennt im Wesen sich das Feste von dem Raum?
Der Körper rauhen Stoff, wer schränkt ihn in Gestalten,
Die stets verändert sind und doch sich stets erhalten?
Den Zug, der alles senkt, den Trieb, der alles dehnt,
Den Reiz in dem Magnet, wonach sich Eisen sehnt,
Des Lichtes schnelle Fahrt, die Erbschaft der Bewegung,
Der Teilchen ewig Band, die Quelle neuer Regung,
Dies lehre, großer Geist,
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