Die alte Jungfer (German Edition)
geopfert hätte, selbst ihren Onkel. Die kleinen nichtigen Freuden Madame de Bousquiers täuschten den Abbé, der seine persönlichen Bekümmernisse leichter trug in dem Gedanken, daß seines Nichte glücklich sei: Alençon dachte anfangs wie der Abbé. Aber da war ein Mann, der war schwerer zu täuschen ;als die ganze Stadt. Der Chevalier de Valois, der auf den heiligen Berg der hohen Aristokratie geflüchtet war, verbrachte sein Leben bei den d'Esgrignon. Er hörte die Klatschereien und üblen Nachreden und dachte Tag und Nacht, daß er nicht sterben dürfe, bevor er sich gerächt habe. Es hatte dem Mann mit den Witzen einen Schlag versetzt, er wollte Du Bousquier mitten ins Herz treffen. Der arme Abbé sah, in welche Niederträchtigkeit seine Nichte durch ihre erste und letzte Liebe hineinkam; er schauderte, als sich ihm die heuchlerische Natur seines Neffen enthüllte und er sein hinterlistiges Getriebe durchschaute. Obwohl Du Bousquier sich bei dem Gedanken an die Erbschaft seines Onkels zusammennahm und ihm keinen Verdruß bereiten wollte, fügte er ihm doch eine letzte Kränkung zu, die ihn ins Grab brachte. Wenn man das Wort ›Intoleranz‹ durch das Wort ›Prinzipientreue‹ ersetzt, wenn man einsieht, daß der Stoizismus, den man beispielsweise bei Walter Scott an der puritanischen Seele des Vaters Jeanie Deans bewundert, in der katholischen Seele des ehemaligen Großvikars nicht zu verdammen ist; wenn man das ›Pontius mori quam foedari‹, das immer in der republikanischen Gesinnung groß erscheint, in der römischen Kirche anerkennt, dann wird man begreifen, welchen Schmerz es dem Abbé de Sponde bereiten mußte, als er in dem Salon seines Neffen den abtrünnigen, rückfälligen, ketzerischen Priester, den Feind der Kirche, den Verfechter des Eides auf die Verfassung sah. Du Bousquier, dessen geheimer Ehrgeiz es war, das Land zu regieren, wollte zum ersten Pfande seiner Macht den Vikar von Saint Léonard mit dem Stadtpfarrer versöhnen, und er erreichte sein Ziel. Seine Frau glaubte ein Werk des Friedens zu tun, da, wo der unwandelbare Abbé nur Verrat sah. Der Abbé de Sponde sah sich in seinem Glauben vereinsamt. Der Bischof kam zu Du Bousquier und zeigte sich zufrieden über das Aufhören der Feindseligkeiten. Die Tugenden des Abbé François hatten alles besiegt, nur nicht den römischen Katholiken, der mit Corneille hätte ausrufen können: »Mein Gott, wie viele Tugend machst du mir verhaßt! Der Abbé starb, als die Orthodoxie in der Diözese erlosch.
Im Jahre 1819 hatte das Erbteil des Abbé de Sponde die territorialen Einkünfte Madame du Bousquiers auf fünfundzwanzigtausend Livres gebracht, ohne Le Prebaudet und das Haus des Val-Noble zu rechnen. Um diese Zeit war es, daß Du Bousquier seiner Frau das Kapital der Ersparnisse, die sie ihm eingehändigt hatte, zurückgab; sie sollte es zur Erwerbung der an Le Prebaudet angrenzenden Ländereien verwenden, wodurch dieses Besitztum eins der beträchtlichsten des Departements wurde; denn die Güter, die dem Abbé de Sponde gehört hatten, stießen gleichfalls an Le Prebaudet. Niemand wußte, wie groß das private Vermögen Du Bousquiers war; er hatte seine Kapitalien bei den Kellers in Paris angelegt, wohin er vier Reisen im Jahre machte. Doch zu dieser Zeit galt er als der reichste Mann im Departement L'Orne, Dieser geschickte Mann, der ewige Kandidat der Liberalen, dem stets sieben oder acht Stimmen in allen unter der Restauration gelieferten Wahlschlachten fehlten und der, als er sich als royalistischer Ministerieller wählen lassen wollte, wobei es ihm nicht gelang, den Widerwillen der Regierung zu überwinden, obgleich ihm die Kongregation und der Magistrat zur Seite standen, die Liberalen nach außen hin schmähte; dieser haßerfüllte, rasend ehrgeizige Republikaner beschloß im Augenblick, wo sie siegreich waren, mit dem Royalismus und der Aristokratie im Lande zu kämpfen. Du Bousquier stützte sich mittels einer gut gespielten Frömmigkeit auf die Priesterschaft: er begleitete seine Frau in die Kirche, er gab Geld für die Klöster der Stadt, unterstützte die Brüderschaft vom Heiligen Herzen und sprach sich bei allen Gelegenheiten, wo die Geistlichkeit gegen die Stadt, das Departement oder den Staat kämpfte, für die Geistlichkeit aus. Von den Liberalen heimlich gehalten, von der Geistlichkeit beschützt, nach außen konstitutioneller Royalist, stand er stets der Aristokratie zur Seite, um sie zu ruinieren, und es gelang ihm. Immer
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