Die alte Villa (German Edition)
dass die uns umgebende Umwelt eine Vollkommenheit aufweist, die wir selber erst noch erreichen möchten, kommen wir auch in unserer eigenen Entwicklung weiter. Immerhin haben die meisten tierischen und pflanzlichen Lebensformen es schon geschafft, in einer Art Fülle und Reichtum zu leben, die ihnen das Universum einfach so zur Verfügung stellt. Wir dagegen müssen erst noch verstehen lernen, dass auch uns Wohlstand und uneingeschränktes Wohlbefinden als ein natürlicher Zustand zusteht, dass wir es verdienen, vollkommen glücklich und zufrieden zu sein – und zwar ohne unsere Umwelt auszubeuten und sie zu zerstören! Das uns umgebende Universum mit all’ seiner Kraft und Weisheit liebt es zu geben und zu beschenken. Es drückt in seiner Art bedingungslose Liebe aus, zu der wir Menschen noch nicht fähig sind. – Wir befinden uns lediglich auf dem Weg dorthin.“
Während Maja sprach, machte sich ein geheimnisvolles Lächeln auf ihrem Gesicht breit und Rebecca kam der ungeheure Verdacht, dass Maja dieses Ziel der Menschheit, wovon sie gesprochen hatte, also diese bedingungslose Liebe, womöglich schon erreicht haben könnte, oder wenigstens schien sie in dieser Sache schon um einiges weiter gekommen zu sein, als die meisten anderen Menschen.
Nach jeder dieser Zusammenkünfte wurde Rebecca sicherer und auch ruhiger und sie konnte manchmal richtig spüren, wie die Energieströme durch ihren Körper fluteten.
Sie lernte, mit der universellen Energie des Universums in Verbindung zu treten, was ihr immer dann am leichtesten gelang, wenn sie sich auf die Schönheit von Pflanzen, Tieren, Menschen oder manchmal nur von Gegenständen konzentrierte.
Einige Veränderungen wurden deutlich spürbar, so etwa ein andauerndes Gefühl von Frische und Unbeschwertheit. Morgens erwachte sie meist gut gelaunt und sogleich verspürte sie einen ungeheuren Tatendrang und bis in den Abend hinein blieb sie munter und vergnügt. Wenn sie schlafen ging, fiel sie schon bald in einen ruhigen und tiefen Schlaf.
Ihre Träume veränderten sich. Es gab keine Alpträume mehr. Stattdessen träumte sie von Delfinen, mit denen sie durch den Ozean schwamm oder von Geldstücken, die sie im Sand von endlosen Stränden fand und aufsammelte.
An vielen Tagen fuhr sie nach der Schule zuerst nach Hause, aß dort zu Mittag und erledigte ihre Hausaufgaben, wofür sie selten mehr als eine Stunde brauchte. Anschließend radelte sie mit ihrem Fahrrad zu Tamara.
Heute Mittag begrüßte sie Tamara lächelnd an der Tür. Von Maja war nichts zu sehen. Tamara führte sie durch das Wohnzimmer hinaus in den Garten. Der Frühling hätte in diesem Jahr schöner nicht sein können. Das derzeit herrschende Hochdruckwetter ließ die Temperaturen in der Nacht zwar noch stellenweise bis nahe an den Gefrierpunkt fallen, dafür strahlte die Sonne tagsüber schon recht wärmend vom wolkenlosen Himmel.
Auf der windgeschützten Terrasse hinter Tamaras Haus hatte man gar das Gefühl, der Sommer hätte bereits begonnen.
„Wo ist Maja?“, fragte Rebecca, als sie sich auf einen der alten Stühle in die Sonne gesetzt hatte.
“Sie ist hinten auf der Wiese“, Tamara deutete mit dem Kopf in den Garten hinein.
„Was ist das für ein Buch?“, fragte Rebecca.
Tamara klappte das kleine Büchlein zu, in dem sie anscheinend zuvor gelesen hatte und schob es ihr über den Tisch zu.
Rebecca las auf der Titelseite: „Maja Grodinski: Auf den Pfaden der Liebe.“
Fragend blickte sie zu Tamara und diese nickte: „Ja, das sind Majas Gedanken. Sie hat sie aufgeschrieben, auch für ihre Studenten, weil sie schon so oft darum gebeten wurde. – Wie du weißt, lehrt Maja an der Universität in den Fächern Physik und Psychologie – aber wusstest du, dass sie dort auch Professorin ist?“
„Was?“, entfuhr es Rebecca. „Aber wieso hat mir das denn noch niemand erzählt?“
„Ach weißt du, diese Dinge sind Maja zwar wichtig, aber ich habe manchmal das Gefühl, als passiere das alles nur so am Rande ihres Lebens....“ Tamaras Blick wanderte ins Leere. Sie seufzte.
„Maja hat viele Feinde an der Universität. Viele kommen mit ihren Ideen nicht klar und lehnen alles, was aus ihrem Munde kommt, kategorisch ab. Aber was tut unsere liebe Maja? Sie sendet diesen Menschen auch noch ihre Liebe und kann darüber nur lächeln. Das soll mal einer verstehen.“
Rebecca musste lächeln. Ja, das war wirklich ungewöhnlich. Ihr fiel ein Satz aus der Bibel ein: ‚Liebet eure Feinde’.
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