Die Amazonen von Darkover
ist gar nicht mein eigentliches Talent«, erwiderte Jaelle. »Ich kann viel besser Reisen organisieren, und da berate ich viele Leute. Sie müssen ja wissen, was sie an Ausrüstung, an Kleidung und Lebensmitteln mitnehmen müssen, wie lange sie unterwegs sein werden, ich muß ihnen Führer und Leibwächter besorgen und ihnen sagen, um welche Jahreszeit sie am besten reisen. Reich wird man damit zwar nicht, aber man verdient sich doch das, was man zum Leben braucht, und eine Kleinigkeit darüber.«
»Für eine Darkovanerin ist das ein merkwürdiges Geschäft«, meinte Magda dazu. »Und ich dachte, hier sei für Frauen das Leben viel zu sehr eingeengt. Meinst du wirklich, daß die Amazonen glücklicher sind als andere, Jaelle?«
»Nein, das meine ich nicht, oder ich meinte es nur früher. Ich freue mich aber auf den Tag, da unsere Freiheit, die der Gilde, für alle Frauen gesetzlich festgelegt wird. Natürlich gibt es hier viele Frauen, denen meine Art zu leben nie gefallen würde. Sie sind zum Heiraten bestimmt und sollen es auch tun, wenn ihnen ein Mann, ein Heim und Kinder genügen. Hast du je zu heiraten gewünscht, Margali?«
»Ich war doch verheiratet, wenn auch nicht lange.«
»Und hättest du ein Kind gehabt – wärest du dann bei ihm geblieben? Kann ein Kind zwei Menschen fest verbinden?«
»Meine Mutter glaubte es. Sie folgte meinem Vater auf vier verschiedene Welten. Dann kamen wir hierher, ich wurde geboren, und sie schien sehr zufrieden zu sein. Sie war Musikerin und spielte mehrere Instrumente. Sie übersetzte Berglieder in die Sprache der Terraner und schrieb eigene Lieder. Aber der Mittelpunkt ihres Lebens war immer mein Vater, und als er starb, lebte sie auch nicht mehr lange.«
»Rohana sah Gabriel nur zweimal, ehe sie ihn heiratete. Das erschien mir immer als Sklaverei, doch Rohana lachte mich aus, als ich das sagte. Sie hielt sich für glücklich, weil er gütig und rücksichtsvoll ist, nicht trinkt, spielt oder sich mit Männern abgibt, wie es andere tun. Und Rohana hat viel Freiheit. Sie kann tun und lassen, was sie will und brauchte wenig aufzugeben ... Margali, hast du dir je ein Kind gewünscht? Oder bist du unfruchtbar? Warum hattest du kein Kind?«
»Ich wollte nicht sofort eines, denn wir wollten uns nicht trennen«, erwiderte Magda. »Und dann kam es zu einem schrecklichen Streit. Wir trennten uns, und da war ich froh, daß ich kein Kind hatte ... Aber sag mal, Jaelle, warum windest du dir immer ein Band um die Handgelenke?«
»Oh!« Wie im Schock musterte Jaelle ihre Hände. »Eine alte Gewohnheit«, wich sie dann aus. »Das tat ich schon als kleines Mädchen. Kindra sagte mir, es sei eine nervöse Sache, und ich müsse nur darüber hinauswachsen. Leider tat ich es nicht.«
Magda wußte aber, daß mehr dahinter steckte. Zu diesem Thema durfte sie aber keine Fragen stellen. Was wird mit Jaelle geschehen? fragte sie sich. Ist sie etwa schwanger? Und konnte oder mußte Peter einer Frau wegen seine Karriere aufgeben?
Magda wußte, daß es auf allen Welten des Imperiums unvermeidliche Liebesverhältnisse und Heiraten zwischen den Fremdvölkern und den Terranern gab, und sie hatte das immer für selbstverständlich gehalten. Nun, da es Leute betraf, die sie kannte und gern hatte, ahnte sie, daß es sich hier um sehr viel mehr als eine Statistik handelte.
15.
Es blieb weiter tiefster Winter. Zum erstenmal seit ihrer Kindheit war Jaelle von normalen Frauen umgeben, und sie trug selbst Frauenkleider, half im Haushalt und führte kein Amazonenleben.
Und da war dieser Terraner, ihr Geliebter. Er füllte ihren ganzen Himmel aus, und das Gildehaus schien sehr weit entfernt zu sein. Sie wußte, daß dies nur ein Zwischenspiel war. Deshalb versuchte sie, ganz in der Gegenwart zu leben und jeden Moment auszukosten. Ihr wurde es gleichgültig, was die anderen dachten, obwohl sie ahnte, daß sie damit eine Krise heraufbeschwor.
Eines Nachts, als sie in Peters Armen aufwachte, hörte sie das leise Rauschen des Frühlingsregens. Das war Realität und bedeutete, daß sie nun in ihr altes Leben zurückzukehren hatte. Sie wußte nicht, ob sie etwas aus den letzten Wochen und Monaten dorthin mitnehmen konnte, und sie durfte nicht einmal weinen, wenn sie ihn nicht aufwecken wollte. Seine Liebe war in diesem Augenblick kein Trost für sie. O barmherzige Götter, dachte sie bedrückt, was soll ich nur tun? Ich, die Amazone, die sich von keinem Mann versklaven lassen wollte, habe mich freiwillig
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