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Die Amazonen von Vanga

Die Amazonen von Vanga

Titel: Die Amazonen von Vanga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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ertönte, das mit der Zeit heftiger wurde. Die Luft war feucht und stickig wie in einem tiefen Brunnenschacht. Wallender Brodem senkte sich zwischen den Baumwipfeln herab.
    Im Nu waren die Amazonen bis auf die Haut durchnäßt.
    Der Regen rief auf den Blättern das Trommeln hervor, das sie hörten. Es schien wie aus Kübeln zu schütten.
    Ein Dickicht versperrte den Weg. Während Burra noch unschlüssig war, wohin sie sich wenden sollte, entdeckte Tertish mehr als ein Dutzend Schritte entfernt einen an dornigen Zweigen hängenden Stoffetzen. Zweifellos stammte dieser von Nebos Kleidung.
    Wenig später gelangten sie an eine tiefe Schlucht, deren Steilhänge selbst den genügsamsten Pflanzen keinerlei Halt boten. Am Grund schäumte ein reißender Wildbach.
    »Um hinüberzugelangen, müßte man fliegen können«, stellte Gudun fest. Immerhin trennten sie mehr als fünfzig Schritte von der anderen Seite.
    »Die Schlucht wird irgendwo enden«, vermutete Tertish.
    »Einen Tagesmarsch entfernt, vielleicht auch zwei? Wir wissen nicht, wie groß die Insel ist.«
    Wenn wir hier aufgeben, werden wir es nie erfahren.«
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, wandte Burra sich nach Norden. Der Ring an ihrem Finger erstrahlte in hellem Glanz.
    »Bist du es, der mich führt?« murmelte Burra leise. »Welche Hexe mag dich einst getragen haben, bevor du dem Geschlecht derer von Anakrom zufielst?«
    Der Regen wurde schwächer. Überall hatten sich kleine Rinnsale gebildet, die nun schnell versickerten. Der Urwald erblühte in unbeschreiblicher Farbenpracht. Blüten, so groß, daß eine einzelne Frau sie nicht umfangen konnte, schossen förmlich aus dem Boden. Bald liefen die Amazonen wie auf einem dicken Teppich, der ihre Schritte unsicher werden ließ. Wolken gelben Staubes, einen betäubenden Duft verbreitend, hüllten sie ein.
    Die Schlucht schien endlos. Seit der Wasserdampf aus der Luft verschwunden war, konnte man sie weithin einsehen.
    »Nebo muß sich noch auf unserer Seite befinden«, stellte Gham mißmutig fest.
    »Ich bin überzeugt davon, daß dem nicht so ist.« In den Augen ihrer Gefährtinnen las Burra Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. »Verdammt«, platzte sie heraus, »was sollen wir denn tun? Solange wir auf dieser Insel weilen, kann jeder von uns dasselbe widerfahren, was mit Nebo geschehen ist. Müssen wir nicht der Gefahr begegnen?«
    »Aber wir haben die Spur verloren«, schnaufte Gorma.
    Im nächsten Moment glaubte sie, ihren Augen nicht mehr trauen zu dürfen. Ähnlich erging es auch den anderen.
    Der Blütenstaub veränderte seine Farbe, begann plötzlich in silbernem Glanz zu erstrahlen. Dicht über dem Boden schwebend, bewegte sich eine endlose Reihe winziger Lichter auf die Schlucht zu. Selbst der stete Wind, der über die Hänge herauf strich, konnte sie nicht daran hindern.
    Innerhalb weniger Augenblicke spannte sich ein hell leuchtender Bogen über den Abgrund.
    »Was ist das?« Vorsichtig näherte Gudun sich dem Gebilde.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Burra. Sie starrte auf die riesigen Blüten, deren Blätter zu welken begannen.
    Gudun kniete nieder und tastete über die gläsern wirkende durchsichtige Fläche.
    »Es ist fest«, sagte sie. »Vielleicht vermag es sogar unser Gewicht zu tragen.«
    »Eine Brücke? Dann hat Burras Fluch Mächte gerufen, die wir nicht begreifen.«
    »Wollen wir überhaupt hinüber?«
    »Es ist gefährlich. Einen Sturz in diese Tiefe kann niemand überleben.«
    »Ich werde gehen«, platzte Burra lautstark heraus.
    Ihre ersten Schritte waren zaghaft und vorsichtig. Erst als sie merkte, daß der Bogen wirklich standhielt, löste sich ihre Verkrampfungen.
    Gorma folgte ihr. Dann kamen Gudun, Gham und Tertish, alle mit mehr oder weniger unguten Gefühlen. Immerhin war es ein Unterschied, ob man sein Leben ehrenvoll auf dem Schlachtfeld verlor oder mit zerschmetterten Knochen am Grund einer Schlucht lag, weil die Luft zwischen Illusion und Wirklichkeit verwischte.
    Mann konnte den Widerstand unter den Sohlen spüren, dennoch war es, als schwebe man über den Abgrund hinweg. Ungehindert und die Sinne verwirrend, fiel der Blick durch diese unbegreifliche Brücke.
    Selbst Burra beeilte sich, die andere Seite zu erreichen. Sie mochte dreiviertel des Weges zurückgelegt haben, als hoch über ihr der heisere Schrei eines Vogels erklang. Ein riesiger dunkler Schatten schoß auf sie herab.
    Burra handelte mit dem Instinkt der geübten Kämpferin. Sich fallen lassen und das Schwert

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