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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hedwig Appelt
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erzählen.
    Theseus rief Herakles heran und stellte ihn vor als seinen besten und treuesten Freund, dessen Leben von einer gottgewollten |44| und deshalb unaufhebbaren Tragik überschattet sei. Um ihn zu retten aus nicht selbst verantworteter Schuld, sei er gekommen und bitte die Königin um Gehör und die Gewährung einer Bitte.
    So begann Theseus zu sprechen, während Hippolyte Herakles musterte. Sie sah ihm an, dass er ein Mann der Tat war. Nicht sehr groß, aber mächtig wirkend durch seinen muskulösen Körper, der physische Kraft und Schnelligkeit verriet. Herakles, erzählte Theseus, sei der rechtmäßige Herrscher von Tiryns und Mykene, den beiden bedeutenden Städten auf der Peloponnes. Statt zu herrschen müsse sein Freund aber dienen, und was besonders bitter sei: Herakles stünde in den Diensten von Eurystheus, dem jetzigen König von Tiryns.
    Die Amazone ließ ihren Blick über Herakles, Theseus und die anderen Griechenfürsten schweifen. Dass sie sich zu der Reise bereit erklärt und alle Gefahren gemeistert hatten, sagte viel über ihren Mut und Kampfgeist. Mit dieser Besatzung wäre es ein Leichtes, einen unrechtmäßigen König mit Gewalt von der Macht zu entfernen. Theseus gab der Amazone Recht und bat sie, ihr erklären zu dürfen, warum ihnen die Hände gebunden seien. Herakles sei ein Halbgott, abstammend von Zeus. Und wer Zeus zum Vater hatte, konnte sich der Feindschaft seiner olympischen Gattin Hera sicher sein.
    Geboren wurde Herakles als Sohn von Alkmene und Amphitryon, der aber nicht sein leiblicher Vater war. Zeus, der oberste aller Götter, hatte sich in Alkmene verliebt, die ihren Mann niemals betrogen hätte. So griff Zeus zu einer List und kam, während Amphitryon weg war, in dessen Gestalt zu Alkmene, die ebenso überrascht wie glücklich über die unerwartet frühe Rückkehr ihres Mannes war. Natürlich kam es zu Verwirrungen, als der echte Amphitryon zurückkehrte und aus leisen Anspielungen heraushörte, dass er schon da gewesen und über Nacht geblieben sei. Aber was sollte er tun? Seine Frau hatte ihn betrogen, ohne um den Betrug zu wissen. Und Zeus hatte sich schon lange wieder auf den Olymp zurückgezogen. So musste das irdische Paar |45| die göttliche Intervention hinnehmen, während die olympische Ehe daran zu zerbrechen drohte, denn Hera war und blieb eifersüchtig.
    Während Theseus sprach, sah er Hippolyte an. Er sah, dass die gespannte Aufmerksamkeit, mit der sie seinen ersten Worten gefolgt war, einer amüsierten Neugierde Platz gemacht hatte. Die Amazone hatte bei der Ankunft der Fremden mit Krieg gerechnet, stattdessen stand sie immer noch hier und hörte sich Liebesgeschichten von Göttern und Menschen an. Die Situation belustigte sie ebenso wie Theseus’ Geschichte, die ihr die griechische Welt so fremd vorkommen ließ, dass jede Gemeinsamkeit, sogar die des Kriegführens, mit jedem Wort unwahrscheinlicher wurde. Genau darauf hatte Theseus gesetzt, der jetzt fortfuhr:
    Seit seiner Zeugung hatte Herakles, der seinen Namen zum Ruhm Heras trug, unter dem unversöhnlichen Zorn der Göttin zu leiden. Sie suchte ständig nach Mitteln und Wegen, dem illegitimen Zeus-Kind zu schaden. Die erste Gelegenheit ergab sich noch vor seiner Geburt, als Zeus im Rat der Götter verkündete, dass der nächst geborene Nachkomme von Perseus – dem Großvater Amphytrions – Herrscher von Tyrins und Mykene werden sollte. Zeus war sicher, dass sein Sohn Herakles dieser König sein würde, als wenig später schon die Geburt von Eurystheus gemeldet wurde, dessen Stammbaum ebenfalls auf Perseus zurückging. Hera hatte den später gezeugten Eurystheus einfach als Siebenmonatskind zur Welt kommen lassen und Herakles damit schon vor seiner Geburt enterbt. Dabei ließ sie es nicht bewenden. Sie wollte ihn nicht nur um Macht, Einfluss und Vermögen bringen, sondern auch um Glück und Zufriedenheit. Dabei kam es ihr sehr zupass, dass Herakles von Natur aus ebenso stark wie jähzornig war. Diese unselige Kombination zweier Eigenschaften hätte jeden mäßigenden Einfluss von außen gebraucht, stattdessen schürte Hera den Zorn, bis er in Anfälle von Wahnsinn umschlug.
    Hippolyte betrachtete Herakles schweigend. Er stand bei den Schiffen, etwas abseits von den anderen und sah grimmig zu den |46| Amazonen hinüber, die sich immer noch in Bereitschaft hielten. Die Königin spürte, dass Herakles eigentlich den Kampf wünschte und sowohl unter Theseus’ Sprechen wie seiner eigenen Untätigkeit litt.

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