Die Amazonen
war, aber die Folgen nicht mehr abwenden konnte. Die kurze Lebensspanne, die Hippolytos noch blieb, reichte zur Versöhnung mit dem Vater, der sich nie mehr von dieser Tragödie erholte.
Theseus’ Zeit war zu Ende. Der Gründer und König von Athen, der Abenteurer und Frauenheld, der Heros an Herakles’ Seite zerbrach am Schicksal der Liebe, wie vorher so viele seiner Frauen: Anaxo, Periboia, Phereboia, Iope, Aigle, Ariadne, Hippolyte und Phädra.
|69| Die Amazonen vor Troja
Zum Zeitpunkt des Eingreifens
„Keiner von uns, Agamemnon, gibt dir die Schuld daran, dass die Pest durchs Lager geht. Aber auch Kalchas ist nicht verantwortlich für das, was die Götter durch ihn sagen.“ Schützend legt Achill eine Hand auf die Schulter des verängstigten Alten. „Nicht er, sondern Apoll wünscht, dass du das Mädchen zurückgibst. Lass sie gehen. Dann werden deine Männer wieder gesund, und wir alle versprechen dir: Sobald Troja gestürmt sein wird, sollst du ein Vielfaches von dem bekommen, was du heute hergibst.“
„Es wird... es wird... es wird!“ Mit ausgebreiteten Armen läuft Agamemnon auf Achill zu, packt ihn an den Schultern und zieht ihn so abrupt an sich, dass der völlig Überraschte ins Straucheln gerät. „Du versprichst mir Trojas Schätze? Seit zehn Jahren warte ich auf den Tag, an dem wir – wie verheißen – durch dich, Achill, zu Ruhm und Reichtum kommen. Nichts ist geschehen, keinen Schritt sind wir der Stadt näher gekommen. Trojas Mauern stehen, weil du versagst. Beten wir, dass die Götter uns den Sieg schenken, den du uns nicht verschaffst! Und wage es nicht, von |70| mir noch mehr Verzicht zu fordern! Wenn ihr ein Opfer braucht, bring du es doch! Gib dein Mädchen her!“ Agamemnon hält inne, als käme ihm plötzlich eine Idee. Dann schlägt er einen versöhnlicheren Ton an.
„Oder lass uns tauschen. Du überlässt mir Briseis. Dein Mädchen ist schön, geschickt und, wenn ich es mir recht überlege, ein noch würdigeres Geschenk als die Fremde, die ihr mir gebracht habt und jetzt wieder nehmen wollt. Ich frage nicht weiter warum und willige ein: deine Briseis für meine Sklavin. Die mag dann gehen, wohin sie will. Der alte Kalchas wäre zufrieden, und mir soll es recht sein. Einverstanden?“ Fragend schaut Agamemnon den sprachlosen Achill an, zuckt dann die Achseln und klatscht in die Hände: „Herolde, bringt mir Briseis!“
„Nein!“ Achill hält Agamemnons Arm fest. „Alles, was mit Lanze und Speer aus Trojas Städten herauszuschlagen war, habe ich dir gebracht, damit du es verteilst: Gold, Pferde, Gewänder, Geschirre, Sklavinnen. Das Beste davon und auch das Meiste hast du dir stets selbst zugeteilt. Das weiß jeder. Und du selbst hast nie versucht, deine Habgier und Besitzsucht zu verbergen. Seit wir hier sind, denkst du an nichts anderes als an den Schatz des Priamos. Ihn hast du vor Augen, wenn du deine Männer zum Kampf ermunterst und zum Sieg antreibst. Deine Ungeduld, ihn in Händen zu halten, macht dich ungerecht“.
Mit einer kleinen Redepause verschafft er seinem Vorwurf Gehör. Als er weiterspricht, schwingt seine Stimme zwischen Resignation und Anklage. Jeder in der Runde kann seine zornige Ohnmacht nahezu körperlich spüren, und Agamemnon bewahrt nur mit Mühe Haltung, als Achill den Konflikt auf die Spitze treibt: „Ohne mich hätten die Troer deine Schiffe schon längst in Brand gesteckt, dir das Leben genommen und ihre Hunde zu deiner Leiche gerufen. Danken solltest du mir, dass ich dich in all den Jahren beschützt habe. Stattdessen verlangst du nach dem Einzigen, was ich je für mich haben wollte. Du demütigst mich, und ich soll für deinen Ruhm, deinen Reichtum und deine Sicherheit sorgen? |71| Deine Dummheit ist noch größer als deine Gier! Lass mich vorbei! Ich fahre nach Hause!“
Ein paar Schritte geht er durch vollkommene Stille, dann bricht der Tumult los. Wer einen Platz weit hinten oder ganz außen hat, schreit aus Leibeskräften, Achill solle warten. Übereinander steigen und stolpern die Versammelten ins Zentrum des Geschehens. Ajax ist als Erster da und versperrt Achill den Weg, Odysseus umklammert seinen Arm, Diomedes seine Knie. „Bleib, Achill, wir bitten dich!“ Odysseus sucht seine Augen. „Du warst und bist uns Hoffnung, Ansporn, Rettung vielleicht. Die Männer sind müde und krank, zweifeln am Sieg, wollen nach Hause zu ihren Frauen und Söhnen, die Felder bestellen und ihre Herden weiden. Wenn du jetzt gehst, bleibt Troja
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