Die Amazonen
Schicksals. Aber jetzt macht Agamemnon alle Pläne zunichte. Es ist unmöglich, dass Achill für jemanden kämpft, der ihn so erniedrigt hat. Aber wenn er nicht kämpft, wird ihm auch kein Ruhm zuteil werden. Es bliebe, als letzte Möglichkeit, die Rückkehr nach Griechenland in ein Leben, das niemals mehr das eines Helden sein würde.
|76| Um das zu verhindern, steigt Thetis hinauf zum Olymp und kniet vor Zeus nieder. Ihr langes schimmerndes Kleid fließt durch die Halle, und aus dieser silbrigen Flut hebt sie ihr Gesicht zu ihm auf, das in seiner traurigen Schönheit unwiderstehlich ist. So weich, so jung und viel zu zart für jede Sorge. Ach, zu viele hat er ihr selbst bereitet, obwohl er doch immer nur ihr Bestes wollte. Seufzend streicht Zeus über den Glanz ihres gewellten Haares, sie legt die Hände auf seine Knie, und die zwei niemals alternden Götter schauen in die Zeit zurück:
Lang ist es her, aber unvergessen, dass Zeus in Thetis verliebt war. Er hätte die schöne Nymphe gerne für sich gehabt, doch über ihr schwebte ein Orakel. Wenn sie einen Sohn bekommen sollte, besagte es, würde er mächtiger sein als sein Vater, ganz egal, wer dieser Vater sei. Da Zeus weder von einem eigenen Sohn noch von dem eines anderen entthront werden wollte, suchte er für Thetis einen Mann, der so harmlos und unbedeutend wie möglich, gleichzeitig aber für die schöne Göttin akzeptabel war. Und er fand ihn in Peleus, einem gut aussehenden, loyalen, aber etwas langweiligen und schlichten Mann, der ruhig einen Sohn haben durfte, der ihm überlegen war, ohne dass sich jemand bedroht fühlen musste. Thetis wollte ihn nicht, sie wollte überhaupt keinen sterblichen Mann, aber Zeus bestand auf seiner Entscheidung und gab Peleus so viele Hilfen und Hinweise, wie er Thetis für sich gewinnen konnte, dass die schöne Nymphe schließlich ihren Widerstand aufgab und anfing, den ihr zugedachten Ehemann zu mögen.
Zeus ließ es sich nicht nehmen, die Hochzeit selbst auszurichten. Die Götter kamen vom Olymp herunter und brachten Geschenke mit, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte: Ein Paar sprechende, unsterbliche Pferde, Balios und Xanthos, waren dabei und dazu eine goldene Rüstung, die hell wie die Sonne strahlte und jede Waffe an sich abprallen ließ. Sie war ein reich verziertes Kunstwerk, das Hephaistos eigenhändig geschmiedet hatte.
Nachdem die Gaben der Götter ausgiebig bestaunt und bewundert waren, setzte man sich zum Festmahl und genoss die |77| erlesenen Speisen und Weine, die Stimmung war heiter und ungezwungen, Sterbliche und Unsterbliche kamen ins Gespräch – als plötzlich die Tür aufging, und Eris hereintrat, die Göttin der Zwietracht. Niemand hatte sie eingeladen, deshalb stand sie jetzt da, blickte sich um und sah Hera, Athene und Aphrodite beieinander stehen und plaudern. Sie ging auf die drei zu, holte einen goldenen Apfel aus der Tasche, legte ihn auf den Boden und gab ihm einen Schubs, sodass er auf die kleine Gruppe zurollte. Peleus, der alles beobachtet hatte, trat schnell heran, hob für die Göttinnen den Apfel auf und las, was eingraviert war: für die Schönste.
In seiner etwas einfältigen Art schaute er verwirrt von einer zur anderen und kam nicht auf die Idee, die konfliktgeladene Situation galant zu lösen und die Göttinnen um Verständnis zu bitten, dass er an seinem Hochzeitstag den Apfel natürlich seiner Frau überreichen wolle. Unschlüssig schaute er zwischen dem glänzenden Ding in seiner Hand und den Göttinnen hin und her, als Zeus einschritt, der Böses ahnte. Er nahm Peleus das Geschenk ab und sagte schnell: nicht der frischgebackene Ehemann, sondern ein anderer solle entscheiden. Und sein Blick fiel auf Paris, den Prinzen von Troja in Kleinasien.
Troja war zwar eine griechische Kolonie, aber, dachte Zeus, weit genug weg, um den Ärger, den Paris mit seiner Entscheidung zwangsläufig heraufbeschwören musste, von Griechenland fern zu halten. Zeus kannte seine drei Göttinnen nur allzu gut: Heras Eifersucht, Athenes Rechthaberei und Aphrodites Tücke machten ihm schon zu Hause genug zu schaffen. Und er mochte sich gar nicht vorstellen, was passieren würde, wenn zwei von ihnen in ihrem Stolz gekränkt sein würden. Also verlegte er den Prozess und die Folgen der Entscheidung kurzerhand an einen Ort, wo die drei sich in Ruhe streiten konnten und den Rest der Welt in Frieden ließen.
Zeus freute sich über seine weise Voraussicht und ahnte nicht, dass er in die falsche
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