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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hedwig Appelt
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Griechen, um endlich Achill zu finden. Und sah ihn in dem Moment, als er die Böschung des Grabens heraufkam.
    Zuerst den metallisch gleißenden Helmbusch, dann die breiten Schultern, die den goldenen Panzer trugen, der den ganzen Oberkörper einschloss. Unbedeckt waren die Arme bis zum Ellenbogen, Penthesilea sah die gespannten Muskeln, wie sie das Gewicht des riesigen Schildes trugen. Jetzt stand der ganze Mann da, groß und stark, blendend in der die Morgensonne reflektierenden Rüstung.
    Penthesilea strahlte ihm entgegen, während sie ihre Lanze dem Nächsten in den Leib stieß. Sie war so glücklich, dass sie mit einem schrillen Schrei ein paar Männern entgegensprengte, die mit dem Speer gegen sie ausholten. Lachend tauchte Penthesilea unter den Waffen weg, galoppierte in die Gruppe hinein, riss sie zu Boden, wendete das Pferd im Galopp und hieb mit der Streitaxt ihre Schädel in Trümmer. Ihr Pferd wich den Fallenden aus, verkürzte oder verlängerte die Sprünge, Blut spritze gegen seinen Bauch und die Beine der Reiterin, sodass die beiden selbst schwer verletzt aussahen. Es war ein grauenerregendes Bild, wie die Königin blutend und schreiend über das Schlachtfeld flog und die Feinde niedermähte.
    Mit einem Blick hatte Achill erfasst, was sich abspielte. Er sah die weit auseinander galoppierenden Amazonen, die den Zweikampf vermieden und seine Leute aus der Distanz erlegten. Es kam ihm vor, als würde, gleich wohin er blickte, die Königin sein Blickfeld kreuzen. Überall griff sie ein, wo es zu retten oder zu töten galt, gleichzeitig aber führte sie ihren eigenen Krieg. Erst erstaunt, dann empört und schließlich voll unbändiger Wut beobachtete Achill ihre Lust am Töten. Deutlich konnte er sehen, wie sie die Wirkung ihrer Schläge manchmal verzögerte oder ihr Pferd mitten in der Verfolgung zügelte und den Gegner scheinbar |105| entkommen ließ, bevor sie ihm nachsetzte, ihn umtänzelte und dann mit Präzision niederstreckte.
    Penthesilea tanzte einen Totentanz, wie Achill es noch nie gesehen hatte. Er fühlte sich gedemütigt, stellvertretend für alle Helden, die von der unverschämten Rohheit der Wilden überrascht wurden. Als wären es Hühner und Hasen mordete sie unbekümmert seine Männer dahin, die eigene Deckung vernachlässigend, als drohe ihr nicht die geringste Gefahr aus den Reihen der Griechen. An ihren Beinen klebte Blut, das sich mit dem weiß schäumenden Schweiß des Pferdes mischte. Schaum flog auch vom offenen Maul des Tieres, unablässig schrie die Reiterin, hoch und grell, und schneller flog dann der ganz mit Schweiß bedeckte, silbern schimmernde Hengst.
    Achill bemerkte, wie sie dichter und dichter an ihm vorbeigaloppierte, einen Speerwurf weit war sie nur noch von ihm entfernt, als sie sich herabbeugte und eine auf dem Boden liegende Lanze aufhob. Nur mit einem Knie hielt sie sich dabei auf dem Pferd, saß im nächsten Augenblick wieder auf seinem Rücken, gab die Lanze dem Nächstbesten zurück, der sie zu spät in der Seite stecken spürte und war vorbei. Achill schwollen die Adern, obszön erschien ihm ihr Treiben, dieser Körper, der sich immerzu rhythmisch im Takt des Galopps bewegte mit dem kreisenden Becken, den Schenkeln, die unablässig den Pferdeleib massierten, dem an die Mähne gepressten Gesicht. Er ertrug es kaum mehr, sie dieses Tier reiten zu sehen, in dem kurzen, fliegenden Kleid, das irgendwo zwischen Haut und Fell wehte, er wollte den Ruck nicht mehr sehen, der durch ihren Körper ging, wenn sie sich und den Bogen spannte und den Pfeil sein Ziel treffen ließ.
    Es war ihm, als inszenierten die Götter die irrsinnige Komödie seines Todes. Als hätte Dionysos ihm dieses Stück auf den Leib geschrieben, berauscht von Wein und Gelächter. Finster sah er der Königin nach, die reitend und kämpfend um seine Aufmerksamkeit warb. Sie führte ihm ihre Kunst des Tötens vor, zeigte ihre |106| Lust am Rennen und Jagen. Sie spielte mit ihren Waffen, mit dem Tod und mit ihm.
    Die Amazonen hatten auf einen Wink ihrer Königin hin erkannt, dass sie mit diesem Mann allein gelassen werden wollte, und schwärmten aus. Jetzt endlich sah Penthesilea, dass er sie anschaute, und brachte ihr Pferd zum Stehen. In seinem Gesicht suchte sie das Lächeln, von dem sie in Themiskyra geträumt hatte, das in den Mundwinkeln versteckte, mit dem er ihr anerkennenden Respekt für das Spiel ausgedrückt hatte, das beide von der Erde bis zum Himmel durchgehalten hatten, und fand es nicht.

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