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Die Amazonen

Titel: Die Amazonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hedwig Appelt
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Grund für den Zorn, den sie gegen Achill hegte. Denn Aphrodite war auch die Geliebte von Ares und hatte mit ihm die Nymphe Harmonia gezeugt, die wiederum von Ares geschwängert zur Mutter der Amazonen wurde. Penthesilea war also ihr eigenes Fleisch und Blut, und sie war nicht bereit, ihren Tod ungesühnt hinzunehmen.
    Unerkannt kniete sie neben Penthesilea nieder, wusch ihr mit Ambrosia Blut, Schweiß und Schmutz von Gesicht und Körper, salbte sie mit duftendem Öl, bewunderte und betrauerte dabei selbst die Schönheit ihrer Tochter, der sie noch einmal die Frische des Lebens gab. Sie legte einen rosigen Schimmer auf die Wangen, Glanz auf die Lippen, ordnete das Haar und strich ihr schließlich mit der Hand leise über das Gesicht, damit sich die Züge entspannten. Als schliefe sie und als wäre alles nur ein |111| schon vergessener Traum gewesen, so ruhte Penthesilea, als Achill ihr den Helm vom Kopf riss und mitten in der triumphierenden Geste erstarrte.
    Mit Freuden hätte er seine schlimmsten Erwartungen erfüllt gesehen, ein Tiergesicht, eine Einäugige, eine schrille, zum „Yeyeiei“ gehörende Fratze, einen Männerkopf auf dem Frauenleib – in jedem Fall hatte er eine abstoßende Kreatur hinter Helm und Schild der Königin vermutet. Weit mehr als jede Ausgeburt seiner Phantasie entsetzte ihn aber das Bild der schönsten jungen Frau, die er je gesehen hatte. Fassungslos starrte er auf dieses liebe Gesicht zwischen dunklen Locken und verstand nicht mehr, was er getan hatte. Diese Frau war nicht geschickt worden, um ihn zu töten, sonst läge sie jetzt nicht tödlich verwundet vor ihm, während er am Leben war. Er hatte sich geirrt. Und hätte alles gegeben, um diesen Irrtum rückgängig zu machen.
    Während er neben ihr kniete, stellte er sich vor, wie es gewesen wäre, sie im Leben getroffen zu haben. Achill fuhr sich mit der Hand über die Augen, wischte sich mit den Tränen den Schleier vom Gesicht und sah wieder wie damals Athene vor sich stehen, als er wegen des Mädchens Briseis mit Agamemnon im Streit gelegen und die Göttin dazwischengetreten war. Er erinnerte sich an jedes ihrer Worte: „Dreimal so herrliche Gaben werden einst dir bereitstehen wegen der heutigen Schmach. Du halt an dich und gehorch uns.“
    Er schlug die Hände vor sein Gesicht. Die Königin war das versprochene Geschenk gewesen! Athene hatte Wort gehalten und ihm Penthesilea geschickt. Er hätte sie nach Phthia bringen können, wäre wie ein zweiter Theseus empfangen worden, herzlicher noch, kam er doch als Hektors Überwinder zurück. Es wäre ein ehrenvolles Leben gewesen. Und ein glückliches, das wusste er, während er die Tote betrachtete, deren Anblick ihn unendlich schmerzte. Er hatte sie getötet, bevor er wusste, dass er sie liebte.
    In diesem Moment trat Thersites heran. Er war der einzige Grieche vor Troja, der von niederer Herkunft war, hässlich anzusehen |112| und gehässig im Umgang mit anderen. Er besaß weder Takt noch Feingefühl oder gar Mitleid. Ohne jegliches Gespür für die Situation stellte er sich mit verschränkten Armen neben Achill, legte den Kopf schief, musterte ihn spöttisch und zog mit näselnder Stimme über ihn her. Der große Held der Griechen habe sich wohl in eine Wilde verschaut. Sie sei allerdings tot, falls er es noch nicht gemerkt habe. Wahrhaftig, einen seltsamen Geschmack lege er an den Tag. Was fand er denn an dieser toten Barbarin? Weckte sie vielleicht irgendwelche Gelüste, von denen Griechinnen lieber nichts wissen wollten? Von ihm aus könne Achill mit der Leiche machen, was er wolle, aber endlich aufhören, diese, wie solle er es nur nennen..., zu betrauern, als wäre etwas Menschliches daran. Er, Thersites, schäme sich für ihn, und Achill solle sich schämen, vor diesem Kadaver in Tränen auszubrechen. Und damit gab Thersites der Toten einen Tritt in die Seite.
    Achill riss ihn zurück und schlug ihm so mit der Faust ins Gesicht, dass Zähne und Blut aus dem Mund schossen und Thersites tot zu Boden fiel.
    Keiner der Hinzugekommenen hatte Achill daran gehindert, still standen die Gefährten im Kreis, als Achill jetzt vorsichtig, als könne er ihr weh tun, den Speer herauszog und die Königin aufhob. In einsamer Verzweiflung sah er auf die Tote in seinen Armen hinunter, als der Himmel sich plötzlich verdunkelte. Sturm kam auf, Blitze zuckten durch die Luft, von lautem Donner gefolgt.
    Boreas, der Sturmwind, hatte Ares die Nachricht vom Tod Penthesileas gebracht. Völlig außer

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