Die Amazonen
mit seinen Motiven, die sie so gut kannte. Alle Stationen ihres Traumes waren darauf zu sehen, die Stadt mit den vielen Hochzeiten, die Löwen, der Okeanos, der die Erde umfloss, und der Himmel, aus dem sie auf die Lichtung schwebte. Auch diesen Ort erkannte sie wieder zwischen Wiesen und Wald, während sie sich drehte und der Schild sich mit ihr. Sie wollte endlich aus dem Traum in die Wirklichkeit vorstoßen. Deshalb richtete sie sich nun auf, fasste ihre Lanze, strich mit den Fingern noch einmal über das warme Holz des Schaftes, so, als schickte sie ihr Streicheln mit auf den Flug, und schleuderte sie dann mit einer solchen Gewalt gegen Achills Schild, dass sie beim Aufprall zersplitterte.
Achill ließ den Schild fallen und hechtete los. Im Laufen holte er aus, waagerecht schwebte der Speer über seinem Kopf, hob sich dann, drohte mit der Spitze dem Himmel und seiner göttlicher Vorsehung, bevor er losschwirrte gegen die Königin, die ihn nicht ernst genug nahm, weil sie immer noch an ein Spiel glaubte.
Zum Abtauchen und Davonlaufen war es zu nah, zu spät. In einem letzten Versuch, seine Reiterin zu retten, stieg das Pferd, um den Speer mit seinem Körper abzufangen. Aber Achill hatte so |109| viel Wut in diesen Speerwurf gelegt, dass die Waffe durch den Pferdeleib fuhr und Penthesilea durchbohrte. So fest verbunden wie im Leben sanken die Frau und das Tier sterbend zu Boden, Penthesileas Arme waren noch um seinen Hals geschlungen, aber die Verwunderung schon aus ihren Augen gewichen. Der Traum war aus.
Breitbeinig stand Achill im hellen Tageslicht und riss triumphierend die Arme nach oben. Still lag sie vor ihm, die fleischgewordene Prophezeiung seines Todes, während er lebte, sein Schicksal bezwungen hatte. Die Götter selbst mussten sich seiner Kraft beugen und ihr Orakel widerrufen. Hier stand er, der Held von Troja, und würde seinem Ruhm folgen, der ihm in die Heimat vorauseilte. Er war stärker als die Menschen, die Götter und der Tod. Laut lachte er auf, als er daran dachte, wie verzweifelt er nach dem Streit mit Agamemnon in Thetis’ Armen lag, weil er fürchtete, Ruhm und Leben vor Troja zu lassen. Wie konnte er seiner Mutter glauben, die ihn immer schon bejammert hatte? Sie, die mit Delphinen und Nymphen am Meeresgrund hauste, wusste doch nichts vom Krieg auf dem Land und der Macht des Siegers. Den Verängstigten hatte er mehr geglaubt als der eigenen Kraft, das Leben zu bewahren. Welcher Gott auch immer diese barbarische Königin auf den Weg geschickt hatte, ihn zu töten, ihm reckte er jetzt die Faust entgegen.
Traurig sah Athene die Geste, die wohl die Schicksalsgöttinnen meinte, aber ihr galt. Im Glauben, sich selbst befreit zu haben, verstrickte sich einer ihrer Lieblinge mehr und mehr in das Garn, das die Parzen für ihn spannen. Denn niemals irrten sich die Götter. Das taten nur Menschen. Männer wie Achill, die nichts als den eigenen Ruhm im Sinn hatten und sich allem anderen verschlossen. So kam es zu Irrtümern. Hätte Achill nur einmal von sich ab- und die junge Königin angesehen, würde er bemerkt haben, dass sie nicht zu töten, sondern zu lieben gekommen war. Und hätte Penthesilea nicht nur ihrem Traum in die Augen gesehen, sondern diesen harten Menschen angeblickt, wie ihm der Hass |110| und Widerwille ins Gesicht geschrieben stand, wäre sie ihm vielleicht nicht mit diesem blinden Vertrauen begegnet, das zur tödlichen Falle wurde.
Obwohl Athene das Gespinst aus Missverständnissen und Lügen selbst gestrickt hatte, war sie nicht glücklich über ihren Erfolg. Sie sah auf, als Aphrodite neben sie trat, und bemerkte ihre Blässe, legte den Arm um sie und ließ die Göttin der Liebe gewähren.
Nach einem Zweikampf hatte der Sieger das Recht, die Rüstung des Toten an sich zu nehmen, sie zu nutzen oder als Trophäe zu behalten. Genau das hatte Achill vor, als er sich der leblosen Königin näherte. Vornübergesunken, das Gesicht auf dem Boden, lag sie da. Und so konnte Aphrodite unbemerkt den Sieg Achills in eine bittere Niederlage verwandeln.
Aphrodite stand, wie Ares, immer aufseiten der Troer. Sie hatte damals den goldenen Apfel von Paris erhalten und ihm dafür die schönste Frau der Welt versprochen, die Frau des griechischen Königs Menelaos. Sie hatte Paris geholfen, Helena zu rauben und nach Troja zu bringen, was einer Kriegserklärung an die Griechen gleichkam. Während dieses Krieges unterstützte sie immer die Troer, aber diese Parteinahme war nicht der einzige
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