Die Amazonen
zusammengeschmolzen hatte. Die Oberfläche schimmerte noch immer vom göttlichen Feuer, in dem er geschmiedet war. Dann befestigte Achill die Beinschienen aus Zinn, richtete sich auf und drückte den Helm mit dem goldenen Helmbusch so fest auf den Kopf, dass es schmerzte. Und als er dastand, von Kopf bis Fuß in die mächtigste und gleichzeitig feinste Rüstung gehüllt, die je aus Hephaistos’ Werkstatt gekommen war, glich er selbst mehr einem Gott als einem Menschen.
Am silbernen Tragband zog er zuletzt Hephaistos’ Meisterstück hoch, den großen, undurchdringlichen Schild, um den herum der Götterschmied einen dreifachen Rand gelegt hatte. Der Schild selbst bestand aus fünf Schichten, in die oberste hatte Hephaistos Bilder der Welt und der Menschen gehämmert.
|100| Die Erde, das Meer und der Himmel waren zu sehen, dazu Sonne, Mond und Sterne. Auch zwei Städte hatte Hephaistos geschaffen. In der einen wurden Hochzeiten gefeiert. Brautführer holten die Mädchen aus ihren Kammern ab und begleiteten sie zu Tanz und Gesang durch die Stadt. Die Mütter und andere Frauen standen vor ihren Haustüren und sahen dem Treiben zu.
Die andere Stadt zeigte der Schmied im Belagerungszustand. Zwei feindliche Heere, die außerhalb der Mauern lagerten, berieten unter sich, ob sie die Stadt zerstören oder sie einnehmen und die Beute teilen sollten. In der Zwischenzeit bereiteten die Bewohner einen heimlichen Überfall vor. Frauen, Kinder und Alte bewachten, oben stehend, die Mauer, während die Männer von Athene und Ares ins Feld geführt wurden. Die Götter erkannte man daran, dass sie groß und ganz aus Gold waren. Sie gingen voran, bis sie zu einer Stelle kamen, die sich für einen Hinterhalt eignete. An einer Tränke am Fluss warteten sie auf die Rinder- und Schafherden, die sie lärmend überfielen und damit die Belagerer heranlockten. Einzelne Kampfszenen waren abgebildet, Lanzen wurden geschleudert, Krieger verletzt und getötet, Leichen herausgeschleift aus dem Gewühl.
Um die beiden Städte herum, die Liebe und Krieg als Höhepunkte im Leben der Menschen darstellten, schuf Hephaistos Szenen des ländlichen Lebens. Sie zeigten, wie Landarbeiter die Felder pflügten, Schnitter die Ernte zu Garben banden, eine Mahlzeit im Freien. Dazu einen Weinberg zum Zeitpunkt der Lese und eine von Hirten begleitete Herde. Zwei goldene Löwen hielten einen brüllenden Stier gepackt und schleppten ihn davon. Hunde und Hirten liefen herbei, aber die beiden Löwen rissen unbeeindruckt die Haut des Tiers auseinander, schlürften das schwarze Blut und die Eingeweide.
Auch diese Szene ging unmittelbar über in eine Idylle aus Wald und Tal. Friedlich weideten die Schafe, gaben den Menschen Milch und Wolle, die daraus Nahrung und Kleidung machten. Aus den Wäldern stammte das Holz, aus dem Tröge und |101| Bottiche zur Aufbewahrung gefertigt wurden sowie Ställe und Hütten zum Schutz. Zu allem wurde gesungen und musiziert, Mädchen und Jungen tanzten den Reigen, drehten sich im Kreis wie die Scheibe des Töpfers, zwei akrobatische Tänzer wirbelten in der Mitte, und außen um alles herum strömte der Okeanos.
In diesem Schild hielt Achill die ganze zivilisierte Welt in der Hand. Es war eine von Raubtieren und räuberischen Menschen bedrohte Zivilisation, die verteidigt werden musste. Das war die Botschaft des Schildes. Seine Funktion als Wahrer von Frieden und Wohlstand gegen alles Wilde hatte Hephaistos ihm eingeschrieben. Und als Achill ihn nahm, stand für ihn außer Frage, was mit den Barbarinnen geschehen sollte.
Penthesileas Jagd auf Achill
Ächzend und stöhnend wichen die schweren Torflügel zur Seite, die Stadt ließ den Morgen herein. Sonnenlicht zwängte sich durch die ersten Ritzen in die Gasse, aus deren Schatten Penthesilea trat. Ihr folgte das Heer der Amazonen, dann kamen die trojanischen Krieger.
Froh, wieder ins Weite hinauszudürfen, schnaubten die Pferde erleichtert und blähten die Nüstern. Auch den Reiterinnen war die Freude am Ausritt aus der Stadt anzumerken. Sie ließen den Tieren die Freiheit, aus dem Skäischen Tor hinunter in die Ebene zu tänzeln und dabei nach den Pferden der Troer auszuschlagen, die achtgeben mussten, dass die schwer beladenen Streitwagen auf dem abschüssigen Weg nicht ineinander fuhren.
König Priamos sah von der Mauer aus zu, wie seine Männer den unbekümmerten jungen Frauen in die Ebene hinein folgten und betete um ihre Rückkehr. Lange stand er versunken auf den Zinnen, als
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