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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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seinem Gesprächspartner zu lösen. Franco de Lucca war ihm gegenüber nicht zu Erklärungen verpflichtet. Dass er dies dennoch tat, adelte Sojorno auf gewisse Weise.
    »Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich bei den nächsten Lieferungen vermehrt um ›Spezialitätenlieferungen‹ handelt?« Vertraulich und mit einem Schuss Ironie nahm er das Wort auf, das sein Gegenüber benutzt hatte, als im nächsten Moment eine harte Hand seinen Adamsapfel gegen seine Luftröhre drückte.
    »Dass wir uns verstehen, Sojorno – wir liefern italienischen Rotwein – mehr nicht!«

2
    Die ersten zwei Tage auf dem Schiff verbrachte Marie in ihrer Kabine. Nicht, weil sie an Seekrankheit litt wie viele andere Passagiere, sondern weil sie stundenlang nichts anderes tat, als in dem englischen Wörterbuch zu lesen, das Sawatzky ihr geschenkt hatte. Lediglich zu den Mahlzeiten ging sie in den Speisesaal, verließ diesen jedoch wieder, bevor der Letzte sein Besteck aus der Hand gelegt hatte. Wenn sie fleißig Vokabeln lernte, würde sie bei ihrer Ankunft in New York wenigstens ein paar Brocken verstehen, rechtfertigte sie ihr Einsiedlerdasein. Obwohl der Sinn und Zweck ihrer Reise auch – oder sogar vor allem – darin lag, fremde Menschen kennenzulernen, war ihr im Moment gar nicht danach zumute. Sie musste ehrlich zugeben, dass ihr nach gar nichts zumute war und dass sie ihren Entschluss, ihre Schwester Ruth in Amerika zu besuchen, zutiefst bereute. Was mache ich hier eigentlich?, fragte sie sich, während sie mit gesenktem Kopf durch die schmalen Flure in den Unterleib des Schiffes huschte. Wie viel lieber würde sie stattdessen an ihrem Bolg sitzen und Glas blasen! Oder es zumindest versuchen …

    Kaum hatte sie den Gedanken, gegebenenfalls einmal nach Amerika fahren zu wollen, Anfang April zum ersten Male ausgesprochen, hatte sie damit einen Stein ins Rollen gebracht, der nicht mehr aufzuhalten war: Statt auf Widerstand seitens ihrer Familie zu stoßen, hatten Johanna und Peter sie nämlich spontan zu der Reise ermutigt. Sie hätte schon lange eine Belohnung für ihre harte Arbeit verdient, sagten sie. Und ein bisschen frischer Wind um die Ohren würde ihr nur guttun. Aber wer soll meine Arbeit machen?, hatte Marie eingeworfen. Johanna hatte nur abgewinkt: Ein paar Wochen würden sie gut ohne sie zurechtkommen, vorallem, wenn sie ihre Reise in die flauen Sommermonate legte. Es würde völlig ausreichen, wenn sie irgendwann im Herbst zurückkäme, für die Erstellung des neuen Kataloges hatten sie schließlich bis nächsten Februar Zeit. Als Marie die hohen Kosten einer so langen Reise anführte, hatte Peter sie stirnrunzelnd gefragt, ob sie ihr dickes Sparbuch eines Tages mit ins Grab nehmen wolle. Außerdem würde sie bei Ruth doch freie Kost und Logis haben.
    So war Marie gar nichts anderes übriggeblieben, als sich mit der Idee, Lauscha für einige Zeit zu verlassen, ernsthaft anzufreunden.
    Magnus hatte sich wie meist aus der Diskussion herausgehalten. Wenn er im Stillen darauf gehofft hatte, Marie würde ihn zum Mitkommen auffordern, so ließ er sich seine Enttäuschung nicht anmerken, als dies nicht geschah.
    Wenn Marie ehrlich war, war die Aussicht, seinem treu ergebenen Hundeblick für ein Weilchen entfliehen zu können, für sie mindestens so verführerisch gewesen wie die Aussicht auf New York mit seinen großstädtischen Abwechslungen. Und so war sie allein nach Sonneberg aufs Amt gegangen, um sich einen Reisepass ausstellen zu lassen.

    Doch nun, allein in der Enge ihrer Kabine, konnte Marie nicht mehr verstehen, wie sie jemals so gemein hatte denken können. Sie kam sich vor wie jemand, der sich umdreht und plötzlich seinen Schatten vermisst.
    Mit dem Wörterbuch unterm Arm ging sie in einen der Aufenthaltsräume, die für die Passagiere der zweiten Klasse vorgesehen waren. Sie wählte ein Sofa in der hintersten Ecke des Raumes und ließ sich dort mit dem Gesicht zur Wand nieder. Vielleicht würde hier die Sehnsucht nach der Heimat weniger präsent sein.
    Sie war gerade dabei zu lernen, wie man nach dem Weg fragte und was man zu sagen hatte, wenn man sich verlaufenhatte, nämlich »Excuse me, Sir, but I lost my way«, als sie ein leinengestärktes Rascheln vernahm, dem ein Plumps aufs Sofapolster neben ihr folgte.
    Was für ein Tölpel setzte sich, ohne sie zu fragen …
    Ärgerlich schaute Marie auf und blickte in ein rundes, strahlendes Gesicht.
    Eine schneeweiße, pummelige Hand streckte sich ihr

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