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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dass Marie kein Korsett trug. Ihrer Meinung nach sollte eine Dame auch in anderen Umständen darauf nicht verzichten. Nun, ihre liebe Schwiegermutter würde sich an den Gedanken gewöhnen müssen, dass Marie auch nach der Geburt nicht vorhatte, sich von spitzen Drähten in den Leib stechen zu lassen!
    Marie zupfte an Francos Jackettärmel. »Warum lassen wir das Dessert nicht ausfallen und gehen ein bisschen spazieren?«
    »Spazieren? Aber es ist doch bald Zeit, hinauf auf die Terrasse zu gehen«, sagte Franco. »Wer freut sich denn schon seit Tagen auf das Feuerwerk?«
    Die Art, wie er ihr zuzwinkerte, ärgerte Marie auf einmal. Warum tat er so, als ob sie ein Kind wäre, nur weil sie noch nie in ihrem Leben ein Feuerwerk gesehen hatte? Auf einmal war ihre Vorfreude auf das Lichterspektakel gar nicht mehr so groß.
    »Das Feuerwerk könnten wir doch auch unten im Hafen sehen, oder? Hörst du nicht, wie lebhaft es schon auf den Straßen zugeht?« Sie deutete in Richtung der Fenster, von wo vereinzelte Rufe und ausgelassenes Lachen zu ihnen heraufdrangen. Manchmal trug der Wind auch ein paar Takte Musik in den Palazzo. »Die Leute scheinen ein richtiges Volksfest zu feiern!«
    »Betrunkene!« Der Conte verzog den Mund.
    »Vater hat recht. Viele trinken heute Nacht mehr, als ihnen guttut. Du hättest keine Freude daran, geschubst und angerempelt zu werden.«
    »Es geht nicht darum, ob Marie Freude daran hätte – es ziemt sich für eine de Lucca einfach nicht, sich unters gemeine Volk zu mischen«, unterbrach der Conte seinen Sohn. »Hör doch, wie sie grölen!« Angewidert schüttelte er den Kopf.
    »Was ist denn schon dabei, wenn die Männer in der letzten Nacht des Jahres einen über den Durst trinken? Die Menschen da unten haben wenigstens noch ein bisschen Leben in sich!«, entgegnete Marie. Im Gegensatz zu dir, wollte sie hinzufügen, doch stattdessen presste sie die Lippen zusammen, um ein Stöhnen zu unterdrücken. Wie immer, wenn sie sich aufregte, verkrampfte sich etwas schmerzhaft in ihrem Bauch und machte ihr Angst … Als ob ein hungriger Wolf nach dem Kind schnappen würde … Unwillkürlich langte sie zu Franco hinüber und krallte ihre Hand in seinen Arm.
    »Was ist? Geht es dir nicht gut, mia cara ? Vielleicht solltest du dich ein wenig hinlegen?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, schob er ihren Stuhl nach hinten und zog sie hoch. Seinem Vater warf er einen entschuldigenden Blick zu. Frauen und ihre Launen  – bedeutete er, was Marie sehr wohl wahrnahm. Trotzdem ließ sie es zu, dass Franco sie aus dem Zimmer geleitete.
    Draußen auf dem Gang blieb sie stehen, um sich die Seite zu halten. Einmal tief durchatmen, dann würde es wieder gehen …
    Aus dem Speisesaal war nun wieder Patrizias scharfe Stimme zu hören. Ohne Zweifel regte sie sich über Maries Benehmen auf.
    »Was sollte das gerade eben wieder bedeuten? Warum legst du dich ständig mit Vater an?« Missmutig schaute Franco auf Marie. »Und das ausgerechnet in der Silvesternacht.«
    » Gerade in der Silvesternacht! Unser erster gemeinsamer Jahreswechsel! Und wir sitzen bei deinen Eltern, als wären wir selbst schon Greise«, entgegnete sie, ohne ihre Stimme zu senken. Sollten doch ruhig alle hören, dass sie wütend war!
    »Und dann dieses eingebildete Verhalten die ganze Zeit! Als ob die de Luccas das Salz der Erde wären und alle anderen nur Abschaum. Dabei liegt die Sache doch ganz anders, das habe ich längst erkannt! Ihr glaubt alle, ich hätte keine Augen im Kopf!«
    »Wie meinst du das?« Francos Blick hatte auf einmal etwas Stechendes, doch Marie scherte sich nicht darum.
    »Na, ich sehe doch, wie steif und unwohl sich die Besucher hier stets fühlen«, antwortete sie herausfordernd. »Alle sind froh, wenn sie den Palazzo auf schnellstem Weg wieder verlassen können. Mir kommt es jedenfalls nicht so vor, als ob ihr unter dem ›gemeinen Volk‹ viele Freunde habt. Ich glaube eher, deine Familie ist sehr unbeliebt! Du müsstest mal erleben, wie es ist, wenn Peter oder Johanna durch Lauscha gehen! Keine zehn Schritte können sie machen, ohne irgendwelche Hände zu schütteln oder ein paar Worte zu wechseln!«
    Statt – wie Marie erwartet hatte – wütend zu reagieren,wirkte Franco fast heiter. Er lachte. »Wenn das deine ganzen Sorgen sind! Mein Vater ist eben nicht der liebevolle Patrone , den dein Schwager scheinbar abgibt. Unsere Geschäfte laufen nun einmal in größerem Stil ab, da kann man nicht mit jedem gut Freund sein.

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