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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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produzieren Vasen, Schalen und Kleinzeug so billig, da können wir nicht mehr mithalten.«
    Aber andere Glasbläser können es doch auch, ging es Wanda durch den Kopf. Laut sagte sie: »Das ist Massenarbeit – Handarbeit ist doch viel wertvoller, oder?«
    Heimer zuckte mit den Schultern. »Erklär das mal den Einkäufern der großen Kaufhäuser in Hamburg oder Berlin. Deren Kunden wollen billige Ware, auf Kunstfertigkeit und Schönheit kommt’s denen weniger an.«
    »Aber man kann doch seine Kunden auch ein wenig … erziehen.« Wanda musste an Schraft’s denken. Kein Schraft’s-Kunde hatte je etwas gegen hohe Preise einzuwenden gehabt, aber wehe, die Qualität war einmal nicht erstklassig!
    »Hochwertiges Glas findet immer seine Käufer, vielleicht nicht in Kaufhäusern, aber in Galerien.« Wanda überlegte, ob sie von der New Yorker Ausstellung mit venezianischem Glas erzählen sollte. Als sie am letzten Tag der Ausstellung noch einmal die Galerie besucht hatte, prangte an fast jedem Stück ein »Verkauft«-Aufkleber.
    Heimer schüttelte den Kopf. »Das habe ich auch einmalgeglaubt. Aber man kann die Zeit nicht aufhalten. Vielleicht … wenn alles anders gekommen wäre … Drei Glasbläser hätten den neuen Moden etwas entgegensetzen können …« Er wog jedes Wort so vorsichtig ab, als hätte er dieselben Gedanken schon tausendmal gehabt, aber noch nie auszusprechen gewagt.
    »Ach, jetzt bin ich womöglich noch schuld an allem? Und das, wo ich mein Leben lang nichts anderes tue, als für euch die Putzmagd zu spielen?«, giftete Eva. »Glaubst du nicht, ich habe mir das auch anders vorgestellt?« Sie klatschte ihren feuchten Putzlappen in den Spülstein und rannte aus dem Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Wanda, die unwillkürlich den Atem angehalten hatte, blies diesen nun aus. Ob die Stimmung zwischen den beiden immer so war?
    Regungslos schaute Thomas Heimer in Richtung Hausflur.
    »Wir Heimers haben einfach kein Geschick darin, unsere Frauen glücklich zu machen«, sagte er. »Wir haben überhaupt kein Glück. Mit nichts.«
    Peinlich berührt schob Wanda ihren Stuhl nach hinten. »Jetzt muss ich aber wirklich gehen.«
    »Ja«, sagte er.

    Unten an der Treppe fing Eva sie ab. »Du willst doch wohl nicht weg, ohne deinen Onkel und Großvater besucht zu haben!« Sie packte Wandas Hand und stieß mit der anderen die Tür zu einem abgedunkelten Zimmer auf, in dessen Mitte ein Bett stand.
    »Dein Onkel Michel! Jetzt schläft er, aber die halbe Nacht hat er gejammert wie ein Kind. So geht das jede Nacht. Und man hört’s im ganzen Haus.«
    Beklommen starrte Wanda auf die dünne Bettdecke, unter der sich ein Mensch befand. Was für ein armseliges Dasein! Unter Evas spöttischem Blick wandte sie sich ab. Doch bevorsie etwas dagegen unternehmen konnte, stieß Eva die nächste Tür auf.
    »Und hier, dein Großvater! Keine Angst, er beißt nicht, ganz im Gegenteil: Er ist heute besonders gut gelaunt!«
    »Ich … Moment mal, Eva, ich glaube nicht, dass ich …« Vergeblich stemmte sich Wanda gegen die zerrende Hand. Was bildete sich das Weib ein, so über sie bestimmen zu wollen?
    »Eva! Mit wem sprichst du? Ich brauche meine Medizin! Eva! Komm!«, quengelte eine Männerstimme.
    »Besuch für dich, Wilhelm!« Eva schubste Wanda ins Zimmer, ohne selbst einzutreten. »Macht es euch ruhig gemütlich. Ich will nicht stören.«
    Als sie die Tür hinter sich zuzog, lachte sie, als wäre ihr ein besonders guter Scherz gelungen.
    Wütend starrte Wanda ihr nach.
    »Ruth?« Ungläubig blinzelte Wilhelm Heimer. »Du bist … zurück?!«
    »Ich bin Wanda.« Zögerlich trat Wanda an das Bett.
    Das war also der herrische Wilhelm Heimer. Zusammengeschrumpft zu einem Häufchen Knochen und faltiger, alter Haut.
    »Wanda?« Seine wässrigen Augen blinzelten heftig, als wolle er so seiner Sehkraft nachhelfen. »Ich kenne keine …« Der Rest ging in einem Hustenanfall unter. »Wer bist du? Hau ab! Warum lässt Eva eine Fremde zu mir? Eva! Eeeeva!«
    »Es kann doch wohl nicht sein, dass du vergessen hast, dass es mich gibt! Ich bin Ruths Tochter!«, fuhr Wanda auf. »Und keine Angst, ich gehe von selbst wieder!« Abrupt wandte sie sich zur Tür. Vielleicht war ihr Großvater nicht mehr ganz klar im Kopf, aber so viel musste er doch noch wissen, oder? Allmählich hatte sie genug! Keine noch so eindringliche Warnung ihrer Mutter hätte sie je darauf vorbereiten können, was für eine schreckliche Sippe dieseHeimers waren.

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