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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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konnte man sogar sagen, sie hatte kaufmännisches Denken mit der Muttermilchaufgesogen. Wenn sie nur an den Tag dachte, als Pandora mit Sack und Pack im Hinterhof ihres Mietshauses gesessen hatte – hatte sie da nicht sozusagen einen Rettungsplan aus dem Handgelenk geschüttelt, Pandoras vergrätzten Vermieter beschwichtigt und ihr eine Vorführung im Haus ihrer Mutter organisiert? Man muss nur wollen – plötzlich hatte sie ihre eigenen Worte im Ohr.
    Auf einmal war alles ganz klar: Sie allein würde den Karren nicht aus dem Dreck ziehen können. Dazu brauchte sie Mitstreiter. Ihr Bleistift flog über das raue Papier.

    2. Wer kann mir bei dem Unternehmen helfen?
Was kann Michel machen? Schreibarbeiten? Ich muss unbedingt mit ihm reden.
Was kann Eva machen? Wie bekomme ich sie dazu, mir zu helfen?
Ich muss versuchen, Großvater auf meine Seite zu ziehen.

    Heftig durchfuhr sie der nächste Gedankenblitz. Sie schrieb:

Richard! Ist eine Zusammenarbeit zwischen ihm und Vater möglich?

    Richard beklagte sich doch immer über seine schlecht ausgestattete Werkstatt – wenn er sich mit ihrem Vater zusammentun würde, könnte er die Heimer’schen Gerätschaften nutzen. Der Gedanke ließ Wanda geradezu euphorisch werden. Mit diesem Argument wollte sie versuchen, Thomas Heimer zu ködern. Warum hatte sie nicht schon viel früher daran gedacht! Ihr Vater wäre dann nicht mehr der einzige Glasbläser im Haus, die Arbeit würde sich wieder auf zwei Paar Schultern verteilen. Und mehr Produktionsvermögen war in den Augen der Verleger sicher ein Vorteil und würde neue Aufträge begünstigen. Vor Wandas geistigem Auge erschienen Bilder, so schön, so verheißungsvoll, dass sie ihr ein wenig Angst einjagten: Richard und Thomas Heimer beimGlasblasen, Eva und Michel beim Einpacken von Glaswaren, sie mit einem Notizblock in der Hand Versandlisten schreibend – die Heimer’sche Werkstatt mit Leben erfüllt wie zu den alten Zeiten, von denen Marie ihr erzählt hatte. Hoffnung – mehr noch Zuversicht – züngelte in Wanda auf wie die Flamme der Glasbläser.

    Als ihre Verwandten eine Stunde später erschöpft und hungrig in die Küche kamen, hatte sie vier ganze Blockseiten vollgeschrieben. Obwohl Anna sie wieder einmal mit feindseligen Blicken bedachte, war Wandas Herz so leicht wie lange nicht mehr. Sie wusste ganz genau, was sie in den nächsten Tagen zu tun hatte!

19

    »Das ist wirklich die dümmste Idee, zu der ich mich je habe überreden lassen!«, nuschelte Eva aus den Tiefen des langen Schals, den sie sich gegen die Kälte mehrmals um den Kopf gewickelt hatte. »Zu Fuß nach Sonneberg! Und das mitten im Winter! Nicht einmal Zigeuner tun das, die sitzen wenigstens in ihren Karren und lassen sich die Straße hinunterschaukeln.« Mit dem Kinn wies Eva auf die kleine Karawane ärmlich aussehender Wagen, die sie gerade überholte, während sie im selben Moment einem struppigen Hund, der den Tross begleitete, einen Tritt verpasste.
    »Siehst du, wie gefährlich es heutzutage ist, zu Fuß unterwegs zu sein? Man wird sogar von wilden Tieren angefallen.« Wanda runzelte die Stirn. »Also wirklich, Eva, der Hund hat dir doch gar nichts getan!«
    »Aber nur, weil ich mich gewehrt habe!«
    »Jetzt hör auf zu brummeln«, erwiderte Wanda mit nur mühsam aufgebrachter Langmut. »Du weißt genau, warum ich denWeg zu Fuß bewältigen wollte. Für dich ist diese Gegend hier vielleicht nichts Besonderes, aber denk doch daran, dass ich mein Leben bisher in der Stadt verbracht habe! Ich sehe diese winterliche Pracht zum ersten Mal.« Sie machte eine umfassende Handbewegung in Richtung der Berghänge mit den eingeschneiten Tannen und Fichten. Dann blieb sie stehen und tat so, als ob sie sich die Gegend noch genauer anschauen wollte. Obwohl sie auf der Hauptstraße liefen, wo der Schnee durch die Fuhrwerke platt gewalzt war, war der Marsch doch anstrengender, als sie angenommen hatte. Der Schweiß rann ihr unter den Armen und zwischen den Brüsten hinab. Um einen möglichst erwachsenen und eleganten Eindruck zu machen, hatte Wanda aus einem ihrer im Lagerschuppen deponierten Koffer ein schwarzes Kostüm mit pelzverbrämten Revers und Ärmeln herausgekramt. Wenn sie gewusst hätte, dass an Wegstücken, wo keine Bäume Schatten warfen, die Sonne schon so eine Kraft hatte, wäre ihre Wahl sicher auf etwas Leichteres gefallen. »Und außerdem will ich nachempfinden, was meine Mutter damals auf dem Weg nach Sonneberg gefühlt haben muss,

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