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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Glas nach.
    Wanda bedankte sich mit einem züchtigen Augenaufschlag. Dabei rasten die Gedanken nur so durch ihren Kopf. Karl-Heinz Brauningers Widerwille gegen Massenware konnte die Chance sein, die ihr von allen anderen Verlegern, die sie zuvor besucht hatte, verwehrt worden war! Die Frage war nur: Wie kam man mit ihm ins Geschäft? Wanda nippte an ihrem Wasser.
    Dank ihrer eleganten Erscheinung und der Tatsache, dass sie aus Amerika kam, war sie entgegen ihren Befürchtungen in allen Häusern sehr freundlich aufgenommen worden. Sie sei jedoch nicht als Repräsentantin für Miles Enterprises, sondern für eine im Aufbau befindliche moderne Glasbläserei in Lauscha unterwegs, hatte sie jedes Mal gesagt, kaum dass ihr ein Sitzplatz angeboten worden war. Jeder Verleger hatte sich ihr Anliegen angehört, mehr über zeitgemäße Kundenwünsche erfahren zu wollen. Doch was sie dann tatsächlich herausfand, war alles andere als erbaulich: Ein Großteil der Verleger ließ in Fabriken fertigen, die anderen hatten schon ausreichend Glasbläser unter Vertrag.
    »Ich nehme an, dass zu Ihren Kunden vor allem Galerien zählen«, fragte sie nun, als ihr Wasserglas zur Hälfte geleert war.
    »Eine Handvoll Galeristen kommt tatsächlich zu mir, doch auch die scheinen inzwischen den Preis vor Originalität und Qualität zu setzen.« Brauninger winkte ab. »Mein Hauptgeschäft mache ich auf großen Kunstausstellungen. Ich weiß, dass meine verehrten Kollegen diesen Umstand belächeln, für sie bin ich nicht mehr als ein gewöhnlicher Marktschreier. Aber was wissen sie schon? Paris, Madrid, Oslo – überall auf der Welt gibt es Kunstfreunde, die bereit sind, für wahren Luxus Geld auszugeben. Indische Maharadschas, Opernsänger, Großbankiers – die Crème de la Crème kauft bei mir ein und …« Brauninger brach ab, als würde er sich plötzlich bewusst, dass er viel mehr gesagt hatte, als er eigentlich vorgehabt hatte.
    Wanda schluckte. Maharadschas und Opernsänger – sie konnte sich nicht vorstellen, dass die etwas mit den Warzenund Hirschgläsern aus der Heimer’schen Werkstatt anfangen konnten …
    »Verehrter Herr Brauninger, Sie haben mich nicht nur beeindruckt, sondern fast schon … eingeschüchtert«, gab sie mit einem entwaffnenden Lächeln zu. »Die Werkstatt, in deren Namen ich meine Marktstudie betreibe, hat zwar auf künstlerischem Gebiet einiges zu bieten, aber …« Sie machte eine kunstvolle Pause. »Wenn Sie mir die indiskrete Frage erlauben: Von wem beziehen Sie eigentlich Ihre Waren? Oder, um es indirekter zu formulieren: Sind denn überhaupt Lauschaer Glaskünstler darunter?«
    »Sie verstehen, dass ich Ihnen keine Namen nennen kann«, beeilte sich Brauninger zu sagen, als bereue er seine vorherige Offenheit. »Ein, zwei Glasbläser aus Lauscha arbeiten allerdings wirklich für mich. Aber die Zusammenarbeit ist … ich will einmal sagen, mühsam«, fügte er dann doch hinzu.
    Wanda runzelte die Stirn. »Entspricht das handwerkliche Können nicht Ihren Anforderungen?«
    »Ganz im Gegenteil, Glasblasen können die da oben schon!« Er nickte in die ungefähre Richtung von Lauscha. »Aber sie sind so wortkarg! Wenn ich wissen will, was ihnen beim Gestalten eines Stückes durch den Kopf gegangen ist, muss ich ihnen jedes Wort aus der Nase ziehen! Erst kürzlich wieder lieferte der eine von ihnen einen Vierersatz blauer Schalen ab. Künstlerisch sehr hochwertig, versteht sich! Ich erkannte sofort, dass die Schalen, wenn man sie zusammenstellte, wie eine Vergissmeinnicht-Blüte wirkten, die ihre Betrachter anlockt wie einen Bienenschwarm. Dieser Eindruck wurde durch die hellgelben Böden der Schalen noch verstärkt.«
    Wanda nickte begeistert. »Ich sehe es genau vor mir: eine allegorische Umsetzung der menschlichen Versuchung im Garten Eden!« Monique Demoines und sämtliche verwöhnten Kunden von Schraft’s würden mich für diesen Geistesblitz bewundern, dachte sie spitzbübisch. Dass sie einmal Grund haben würde, der New Yorker Dekadenz dankbar zu sein, hätte sie nicht geglaubt.
    Brauninger nickte anerkennend. »Ein würdiger Vergleich, gnädige Frau! Aber was, glauben Sie, bekam ich zur Antwort, als ich den Künstler nach seinem geistigen Entwurf für diese Arbeit fragte? Man könne die vier Schüsseln praktischerweise ineinanderstellen, damit sie im Schrank weniger Platz wegnähmen!«
    Wanda musste lachen. So etwas hätte auch von ihrem Vater kommen können!
    Brauninger stimmte in ihr Lachen ein.

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