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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ganz anders kam.« Eva grinste trotzig. »Wo die Liebe hinfällt, so sagt man in Amerika doch auch, oder?«
    Wanda nickte so heftig, dass sie beide zu lachen begannen.

20

    Als sie in Sonneberg ankamen, war Wanda so erschöpft, dass sie zuerst auf einer Stärkung in einem Gasthaus bestand. Bei einer Thüringer Rostbratwurst und einem Bier, zu dem Eva sie überredete, besprachen sie ihre weitere Marschroute: Zuerst würde Eva sie zu den Verlagshäusern führen, mit denen sie schon in der Vergangenheit Geschäfte getätigt hatten. Falls Wanda danach noch Lust hatte, würden sie zu fremden Verlegern gehen. Trotz des neuen Einvernehmens zwischen ihnen war Eva nicht zu überreden, Wanda bei ihren Besuchen zu begleiten. Und so machte sich Wanda mit frisch aufgelegtem Lippenrot und dem festen Willen, etwas Hilfreiches zu erfahren, allein auf.

    »Natürlich ist mir bewusst, dass ich mit meiner Meinung ziemlich allein dastehe – in einer Zeit, wo der Gedanke ›Kunst für alle‹ so außerordentlich schick ist. Und gewinnbringend …« Karl-Heinz Brauninger faltete die Hände und dehnte seine Arme, als bereite ihm etwas rheumatische Schmerzen. »Trotzdem wehre ich mich dagegen, auf den fahrenden Zug der Massenproduktion aufzuspringen, damit im Wohnzimmer eines jeden Hinz und Kunz Nippes aller Art verstauben kann! Soll Röckchen schwingende Figurinen verkaufen, wer will – in mein Angebot kommen sie nicht!« Angeekelt verzog der Verleger den Mund.
    »Aber was findet sich dann in Ihren Musterbüchern?«, fragte Wanda neugierig. Das waren ja ganz neue Töne, die sie hier zu hören bekam!
    »Musterbücher – auch so ein Werkzeug der Massenproduktion. Meine Kundschaft würde vor so etwas zurückschrecken wie der Teufel vorm Weihwasser, glauben Sie mir! Meine Glaswaren sind lauter Unikate. Sie sind von zerbrechlicher Poesie, sie spiegeln die Gefühlswelten derKünstler wider. Jedes Glas wird zu einem Füllhorn an Inspirationen, jede Schale ist ein Ausdruck der immensen Schöpfungskraft der menschlichen Seele! Sie sind Sinnbild für Momente im Leben eines Künstlers – und hat man je einen Moment wiederholen können?«
    Wandas Stoßseufzer war so tief wie echt. »Sie glauben gar nicht, wie gut es tut, Ihnen zuzuhören! Meine bisherigen Recherchen haben mich lediglich in solche Verlagshäuser geführt, die billige Produkte zu niedrigsten Preisen einkaufen wollen – genau das, wovon sich unsere Glasbläserei abgrenzen will.«
    Wanda bedachte Brauninger mit jenem Lächeln, das ihr früher in Mickeys überfüllter Brooklyn Bar stets ohne die üblichen Wartezeiten zu einem neuen Drink verholfen hatte. Vertraulich rutschte sie auf ihrem Stuhl nach vorn.
    »Wissen Sie, was ich gar nicht verstehen kann? Dass genau diese Verleger so tun, als wären ihre Waren die Vollendung des Jugendstils! Dabei handeln sie doch lediglich mit Fabrikware, oder?« Voller heimlicher Freude sah Wanda das anerkennende Aufblitzen in den Augen ihres Gegenübers. War sie womöglich am Ziel?
    Wenn es nach Eva gegangen wäre, hätte Wanda Brauninger gar nicht aufgesucht: Nicht an ihn, sondern an seinen Vater hatten die Heimers vor vielen Jahren geliefert, Folgeaufträge waren jedoch ausgeblieben. »Schon der Alte war ein ganz arroganter Kerl, da wird der Sohn nicht besser sein!«, hatte Eva gesagt. Doch Wanda hatte sich nicht von ihrem Plan abbringen lassen – sie wollte nicht mit dem Gefühl nach Hause gehen, irgendetwas unversucht gelassen zu haben. Und siehe da, ihre Zähigkeit schien nicht ganz umsonst gewesen zu sein.
    »Genau diese Unehrlichkeit ist mir ja so verhasst, gnädiges Fräulein!«, erwiderte Brauninger. »Diese ›revolutionären Streiter für das Proletariat‹ ziehen dem armen Arbeiterdas Geld für wertlosen Tand aus der Tasche! Ich dagegen stehe dazu, dass meine Kunstgegenstände nun einmal nicht für jeden erschwinglich sind!«
    Seine Arroganz hätte viele andere höchstwahrscheinlich abgeschreckt, Wanda jedoch spürte, dass darin ihre Chance lag, wenn … ja wenn sie es richtig anstellte!
    Sie legte den Kopf schräg und sagte: »Wissen Sie eigentlich, dass Ihre konsequente Art, Geschäfte zu betreiben, sehr amerikanisch ist? Das ist übrigens als Kompliment gemeint«, fügte sie hastig hinzu.
    »Nun ja, das kann ich nicht beurteilen« – dem Geschäftsmann schoss tatsächlich Röte ins Gesicht –, »aber wenn gnädige Frau das sagen …« Ohne dass Wanda darum gebeten hätte, schenkte er ihr Wasser in ein hohes geschliffenes

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