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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Gefängnis befand, war auch sie im Palazzo gefangen! Die Hoffnung, die sie geschöpft hatte, als Patrizia ihr kurz nach Francos Verhaftung mitteilte, dass die Familie einen der besten Anwälte Italiens nach Amerika geschickt hatte, war längst verflogen. Entweder konnte dieser Dottore Lorenzo in Amerika nichts ausrichten, oder die dortigen Behörden hatten in der Zwischenzeit mehr gegen Franco in der Hand als die Aussage eines korrupten Hafenarbeiters.
    Oder … beides traf zu.
    »Wenn Franco nicht bald zurückkommt …«, flüsterte Marie mit tränenerstickter Stimme. Obwohl sie sich längst wieder zurückgelegt hatte, begannen die Rückenschmerzen aufs Neue. Sie stöhnte leise auf.
    Patrizia deutete Maries Verzweiflung auf ihre Art.
    »Er wird zur Geburt seines Kindes zurück sein!« Als sie
    Maries Skepsis sah, nahm sie ihre Hand und drückte sie.»Wir müssen nur zusammenhalten. Una famiglia, si? Wie ich es schon immer gesagt habe.«
    Marie schwieg.
    Patrizia flüsterte: »Lass uns beten. Für unseren geliebten Sohn und deinen Mann.«

26

    Nach hektischen vierzehn Tagen, die durch die Reisevorbereitungen nur so dahinflogen, war es schließlich so weit: Unter vielen Ermahnungen, guten Wünschen für die Fahrt und auch ein paar Tränen wurden Richard und Wanda in Lauscha verabschiedet. Während Johannes seiner Cousine unverhohlen neidische Blicke zuwarf – er hatte ihr heimlich gestanden, dass er sich nichts mehr wünschte, als auch einmal in fremde Länder reisen zu können –, reichte Anna Wanda nur kurz die Hand, um gleich darauf etwas von dringender Arbeit zu murmeln und zu verschwinden. Von Richard verabschiedete sie sich gar nicht, was jedoch im Trubel unterging.
    Johanna war anzusehen, dass sie bis zum Schluss an der Richtigkeit dieser Unternehmung zweifelte, dennoch zwang sie sich zu einem Lächeln. Peter umarmte erst Wanda und dann Richard, anschließend steckte er Richard einen Geldschein zu und sagte, sie sollten sich am Abend ein Glas bayrisches Bier auf seine Kosten schmecken lassen. »Aber nur eines!«, fügte er mit gespielt drohendem Zeigefinger an.
    Thomas Heimer hatte es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, zum vereinbarten Treffpunkt – dem Haus vom Marzen-Paul, der die beiden jungen Leute mit seinem Wagen nach Coburg fahren sollte – zu kommen. Fast übertrieben schüttelte er Wanda zum Abschied die Hand und übergab ihr ein Paket mit Reiseproviant, das Eva für sie geschnürt hatte.Obwohl schon von dem Brotpapier der muffige Geruch der Heimer’schen Küche ausging, hätte Wanda vor Rührung heulen können. Und als Thomas dann auch noch zu Johanna sagte: »Wer hätte gedacht, dass wir uns einmal gemeinsam Sorgen machen werden?«, konnte Wanda ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihr einziger Trost war, dass Heimer während ihrer Abwesenheit mit einem großen Auftrag von Brauninger beschäftigt sein würde: Ein kunstverrückter Amerikaner hatte dem Händler einen Besuch abgestattet und mehrere Dutzend Vasen geordert, von denen jede einzelne eine spezielle Technik aufweisen sollte. »Ein Querschnitt thüringischer Glasbläserkunst« – so hatte Brauninger den Auftrag genannt. Genau das Richtige für ihren Vater!, hatte Wanda frohlockt. Zuerst hatte Thomas das Ganze gar nicht glauben wollen, hatte unterstellt, Wanda würde sich einen schlechten Scherz erlauben. Dann aber machte er sich mit einem solchen Feuereifer an die Arbeit, dass Wanda ihn kaum wiedererkannte: Wie ein junger Mann kam er dieser Tage daher.
    Nach ihrer Rückkehr wollte sich Wanda um weitere Käufer kümmern. Im Stillen hoffte sie natürlich, vielleicht schon in Venedig neue Kontakte für die Glasbläserei Heimer knüpfen zu können.
    Ach, auf einmal war es so schwer, von Lauscha Abschied zu nehmen!
    »He, Wanda, willst du hier Wurzeln schlagen?« Ungeduldig hielt Richard ihr die Hand hin.
    Mit einem Seufzen ließ sich Wanda von ihm auf die harte Holzbank der Kutsche ziehen.
    »Es ist doch nur für zwei Wochen«, raunte Richard ihr zu, als er ihre deprimierte Miene sah. Sie nickte.
    Dann ging es los.

    Als sie am Coburger Bahnhof eintrafen, stand ihr Zug schon auf dem Abfahrtgleis. Bei seinem Anblick fing Richard an zu laufen, vor lauter Angst, nicht rechtzeitig hineinzukommen. Kichernd machte Wanda ihn darauf aufmerksam, dass vorn in die Zugmaschine erst Kohlen geschaufelt wurden – die Abfahrt konnte also noch gar nicht stattfinden!
    Von Coburg aus sollte die Zugfahrt über Nürnberg nach München gehen, wo sie

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