Die Amerikanerin
begann überzulaufen vor Liebe zu diesem Mann, der offenbar immer tat, was er tun musste, und stets sagte, was er sagen musste, ganz gleich, ob die Dinge ihn beunruhigten oder nicht. Sie nahm seine Hand und schaute ihn ernst an.
»Mir macht das alles auch ein bisschen Angst. Aber wie du gesagt hast: Wir müssen das schwarze Ungeheuer mit dem Namen Zweifel niederringen! Macht Liebe nicht unbesiegbar?«, fügte sie voller Pathos hinzu.Er blinzelte skeptisch. »Heißt das nun Ja oder Nein?« Wanda grinste. »Ja natürlich, du Ochse! Ja, ja, ja!«
Diesmal ließ sie es zu, dass er sie in seine Arme nahm. Als wäre sie federleicht, wirbelte er sie durch den Raum, während er vor Freude laut juchzte. »Sie wird meine Frau! Hurra!«
Wanda lachte glücklich. Sie küsste Richards Lippen, seine Ohrläppchen, seinen Nacken unter den Haarfransen.
Irgendwann löste er sich sanft von ihr und zog eine entschuldigende Grimasse.
»Es gibt da – jenseits der ausstehenden Zustimmung deiner Eltern – nur noch ein kleines organisatorisches Problem. Nichts, was man nicht in den Griff bekommen kann.« Er ging zum Schrank. Als er zurückkam, hatte er einen Brief in der Hand. »Von Täuber«, erklärte er. »Die Hochzeit kann frühestens im Juni stattfinden. Die zweite und die dritte Maiwoche …«
»Wir haben doch noch gar nicht über einen Termin gesprochen«, unterbrach Wanda ihn, und ihre Augen funkelten streitlustig. Sie hatte zwar Ja gesagt, aber das schloss doch nicht aus, dass sie ein Wörtchen mitzureden hatte! Und die Frage ihrer Reise nach New York war auch noch nicht vom Tisch.
»… bin ich nämlich in Venedig. Du erinnerst dich doch noch an die Kunstausstellung, von der ich dir erzählt habe? Das hier ist meine Einladung. Gotthilf Täuber will mich dort in einigen Glasmanufakturen vorstellen. Und er zahlt mir außerdem die Reise. Er sagt, ich könne die Gelegenheit nutzen, um so viel wie möglich von den Italienern zu lernen und –«
»Du gehst fort?« Wandas Stimme klang hohl. »Und warum sagst du mir das nicht?«
»Ich sage es dir doch gerade«, erwiderte Richard. »Außerdem ist es nur für zwei Wochen. Täuber sagt, ich müsse …«
»Zwei Wochen! Dann bleibt uns ja noch weniger Zeit, alsich dachte!«, murrte Wanda. Wenn sie tatsächlich noch einmal nach New York musste, würde sie Lauscha verlassen, bevor er zurückkam. Was, wenn er sich auf seiner Reise in eine schöne Italienerin verliebte? So wie Marie sich in diesen Italiener verliebt hatte? Dann würde sie allein in New York sitzen und …
Sie drängte sich in Richards Arme und umklammerte ihn. »Bitte geh nicht!«
Die Furcht, Richard zu verlieren, war auf einmal viel stärker als alles andere. Vielleicht sollte sie sich doch über die Wünsche ihrer Eltern hinwegsetzen und einfach in Lauscha bleiben? Nun, ganz wohl war ihr bei dem Gedanken nicht. Einen Moment lang war nur das eintönige Tropfen von schmelzendem Schnee zu hören, der in eine übervolle Regentonne hinter dem Haus platschte.
»Warum kommst du nicht einfach mit nach Italien?«, murmelte Richard plötzlich in Wandas Haar. »Die Ausstellung könnte auch für die Glasbläserei Heimer interessant sein. Man sagt, dort werden viele geschäftliche Kontakte geknüpft. Das ist ein weiterer Grund für mich, dorthin zu fahren, auch wenn ich das Täuber nicht gerade auf die Nase binden werde. Aber ich möchte eines Tages viele solcher Kunden wie ihn haben und nicht nur auf einen angewiesen sein, verstehst du?«
Den Kopf immer noch an seiner Brust, nickte Wanda. Und ob sie verstand! Dass es ihr bisher nur gelungen war, Karl-Heinz Brauninger für die Gläser ihres Vaters zu interessieren, machte ihr im Stillen Sorgen. Weitere Kunden zu finden stand auf ihrer Liste ganz oben. Nur, wie sollte sie es anstellen? Das war bisher die große Frage gewesen.
»Wir beide in Venedig …« Wanda seufzte aus tiefstem Herzen. Doch bevor sie sich in die Bilder verlieben konnte, die sich vor ihrem inneren Auge formten, rückte sie von ihm ab. »Aber das würde Johanna mir nie und nimmer erlauben!Und meine Eltern ebenfalls nicht!«, sagte sie, wobei sie offenließ, ob sie damit Ruth und Steven oder Ruth und Thomas Heimer meinte.
Richard nagte an seiner Unterlippe. »Und ich kann sie sogar verstehen. Immerhin bist du noch nicht einmal volljährig. Und verheiratet sind wir auch noch nicht, sonst sähe die Sache natürlich anders aus …«
Die Gondeln in fahl glänzendem Sonnenlicht begannen zu verschwimmen,
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