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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zuprostete.
    »Und ich bin stolz darauf, einen Glasbläser zu heiraten. Wie sagt man doch so schön? Wer einen Glasbläser heiratet, dessen Ehe steht auf einem goldenen Fuß!« So oder so ähnlich hatte es zumindest Marie einmal gesagt.
    Richard runzelte die Stirn. »Ich glaube zwar, dass dieses Sprichwort ein wenig anders lautet, aber so gefällt es mir auch ganz gut!«

27

    Der zweite Tag ihrer Reise verlief so golden wie der erste. Mit jeder Meile, die sie hinter sich brachten, erinnerte die Landschaft Wanda mehr und mehr an die Bilderbücher, die Johanna ihr seinerzeit nach Amerika geschickt hatte: die schneebedeckten alpenländischen Berggipfel, der tiefblaue Himmel, verziert mit Zuckerwattewölkchen, die hellbraunen Kühe mit ihren großen, milden Augen. Links und rechts entlang der Zugstrecke fielen immer wieder riesige Wasserfälle die steilen Hänge hinab. Das Gefühl, dem Himmel auf dem Weg zum Brenner immer näher zu kommen, ließ Wanda jubeln. Zum Amüsement ihrer Mitreisenden vergingen keine fünf Minuten, in denen sie nicht ihre Begeisterung kundtat.
    Richard erlebte die beeindruckende Landschaft auf seine Weise. Sein Blick wanderte unaufhörlich vom Zeichenblock aus dem Fenster und wieder zurück. Dass schon die Reise zu einem Füllhorn an Inspirationen werden würde, hätte ernicht gedacht, gestand er Wanda später. Wenn dem so sei, sollten sie das Reisen zukünftig zu einem festen Bestandteil ihres Lebens machen, erwiderte sie darauf.
    Die anderen Reisenden, die sie für Frischvermählte hielten, lächelten ihnen wohlwollend und sehnsüchtig zu. So jung und verliebt zu sein …

    Das Hotel in Bozen war eleganter als das vom Vorabend und besaß einen großen Speisesaal, in dem fast alle Tische besetzt waren. Doch dieses Mal bestand Richard darauf, die Stadt zu erkunden. Nachdem die beiden jungen Leute ihre Zimmer bezogen und sich ein wenig frisch gemacht hatten, schlenderten sie Hand in Hand durch die Gassen mit den schmalen Häusern. Es war ein lauer Abend, und es schien, als ob sämtliche Bewohner von Bozen ihn draußen verbringen würden: spielende Kinder, Frauen in Schürzen, die zusammensaßen und Gemüse putzten, Männer, die Reden schwangen und deren Zigarettenrauch die Luft schwängerte – an manchen Ecken hatten Wanda und Richard Mühe, sich einen Weg durch die Leute zu bahnen. Während in Lauscha der Winter gerade erst vorbei war, hatte hier schon der Frühsommer Einzug gehalten.
    »Genauso habe ich mir Italien vorgestellt!« Wanda zeigte auf eine lange Reihe von Blumentöpfen mit blutroten Geranien, vor denen eine schwarze Katze saß und sich hingebungsvoll putzte. »Dieser Duft nach Süden und Sommer und tiefblauem Meer!«
    Richard lachte. »Das Meer sehe ich hier aber nicht.«
    »Spielverderber!« Wanda knuffte ihn in die Seite. »Du hast eben keine Fantasie!«
    Im nächsten Moment gelangten sie auf eine Piazza, und Richard kam nicht mehr dazu, auf Wandas Frotzelei zu antworten. Vor ihnen stand der schönste Brunnen, den sie je gesehen hatten. Er besaß ein ausladendes Becken ausSandstein, in dem unzählige Engel in verschiedenen Posen tollten und Füllhörner hielten, aus denen fontänenartig das Wasser schoss.
    »Hast du jemals etwas Schöneres gesehen?« Ergriffen schlug Wanda die Hand vor den Mund. »Der muss doch sicher schon viele hundert Jahre alt sein, oder?«
    »Ich schätze, er ist aus der Zeit der Renaissance«, antwortete Richard und klang ebenfalls sehr ehrfurchtsvoll.
    Als sie näher kamen, sahen sie, dass auf dem Boden des Wasserbeckens kleine Münzen lagen.
    »Das ist ein italienischer Brauch, von dem ich schon einmal gehört habe. Man wirft eine Münze ins Wasser, schließt die Augen und wünscht sich etwas. Der Wunsch geht dann in Erfüllung. Verflixt, irgendwo muss ich doch etwas Kleingeld haben …« Aufgeregt kramte Wanda in ihrer Börse.
    Richard griff nach ihrer Hand und zog sie zu sich heran. »Mein Herzenswunsch ist schon längst in Erfüllung gegangen«, murmelte er und küsste die Innenseite ihrer Hand.
    Später aßen sie in einer kleinen Trattoria gebratene Taubenbrüstchen und kleine, mit viel Knoblauch angebratene Kartoffeln. Dazu tranken sie einen Chiantiwein, dessen Glut sich mit jedem Schluck auf sie übertrug: Ihr Lachen, ihre Gespräche, die Art, wie sich ihre Hände auf dem Tisch berührten – alles war von einer noch nie da gewesenen Intimität, in der jedes Augenzwinkern eine besondere Bedeutung bekam, jede Geste nur für den anderen deutbar

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