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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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war und den Rest der Welt ausschloss.
    Er ist mein Mann , dachte Wanda die ganze Zeit und wäre vor Stolz und Glück und Lebenslust beinahe geplatzt.
    Nachdem sie die Trattoria zusammen mit den letzten Gästen verlassen hatten, standen sie schließlich vor ihren Zimmern, jeder mit seinem Schlüssel in der Hand. Als Richard Wanda zum Abschied küsste, drängte sich ihr Körper mitaller Kraft an ihn. Nicht weggehen! Nicht allein lassen – sondern den anderen spüren wie noch nie zuvor.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und die Luft zwischen ihnen hätte Funken gesprüht. Wie einfach war es, die Stunden des Zusammenseins zu verlängern! Aber da waren einerseits die Versprechen, die sie zu Hause in Lauscha hatten geben müssen. Und da war andererseits die frühe Abreise am nächsten Tag: Sowohl Richards Zug nach Venedig als auch Wandas Zug nach Mailand sollten kurz nach sieben am nächsten Morgen abfahren. Es wurde also höchste Zeit, ein paar Stunden zu schlafen. Noch ein paar Umarmungen und Küsse folgten, ehe sich Wanda und Richard schweren Herzens trennten.
    Nur in ihrem Unterkleid saß Wanda vor dem altmodischen Schminktisch, der fast die ganze Wand ihrer kleinen Kammer einnahm. Verloren starrte sie auf ihr Spiegelbild. Sie war nicht in der Lage, ihren Koffer nach dem Nachthemd zu durchwühlen. Verflixt, sie vermisste Richard schon jetzt! Obwohl er nur durch eine Wand von ihr getrennt war.
    Seit er ihr in der Silvesternacht seine Gefühle gestanden und sie sozusagen vor vollendete Tatsachen gestellt hatte, waren sie keinen Tag getrennt gewesen. Ihre Sorgen, ihre Zweifel, sein Zutrauen in ihre Fähigkeiten, sein Humor und seine Zärtlichkeiten – wie leer würden die Tage in der nächsten Zeit sein! Gedankenverloren strich sie mit der Hand über ihre Brust. Sie spürte nichts. Wenn Richard sie da berührte, erschauerte sie am ganzen Körper. Wann würde sie seine Liebkosungen wieder genießen dürfen? Richard …
    Vielleicht würde die Sehnsucht dank der Vorfreude auf Marie nachlassen, aber in diesem Augenblick war die Vorstellung, auch nur ein paar Tage ohne ihn auskommen zu müssen, mehr, als Wanda ertragen konnte.
    Sie stand so ruckartig auf, dass der mit Schellack überzogene Schemel umfiel. Reflexartig zog sie den Kopf ein, wohlwissend, dass solcher Lärm zu später Stunde den Unmut der anderen Hotelgäste auf sich zog. Dann ging sie zu der Glastür, die auf den Balkon führte, und öffnete sie. Noch ein bisschen Luft schnappen. Auf andere Gedanken kommen.
    Nur das.

    Am Ende verwunderte es sie nicht, auf dem Nachbarbalkon Richard stehen zu sehen. Trotzdem riss sie bei seinem Anblick erstaunt die Augen auf.
    »Du rauchst?!« Verwirrt wies sie auf die glühende Zigarette in seiner Hand. Er war einer der ganz wenigen Lauschaer Glasbläser, die nicht rauchten. Er mache sich nichts aus dem Zeug, antwortete er jedes Mal, wenn ihm einer seiner Kumpel eine Zigarette anbot.
    Er grinste verlegen. »Andere Länder, andere Sitten.« Er nahm einen letzten Zug, dann trat er den Stummel mit dem Fuß aus.
    Wanda nickte stumm.
    Einen Moment lang standen sie schweigend da, jeder an seinen Teil der Brüstung gelehnt, die Blicke angestrengt auf die gegenüberliegenden Häuser gerichtet. Ein herber Duft hing in der Luft, vielleicht war es auch alter Essensgeruch aus der Hotelküche, der zu den Balkonen hinaufzog, während die Spannung zwischen Wanda und Richard immer unerträglicher wurde.
    Wanda schluckte. Dann wiederholte sie gedehnt: »Andere Länder, andere Sitten …« Ihr Herz klopfte wie verrückt, und kurz darauf hörte sie sich sagen: »Ob das auch für … andere Dinge gelten kann?«

    Danach war alles wie selbstverständlich. Ohne noch einmal darüber nachzudenken, öffnete sie Richard die Tür. Sie wollte in dieser Nacht seine Frau werden. Das und nichts anderes.
    Als sie sich gegenüberstanden, hob sie die Arme und streifte ihr Unterkleid über den Kopf. Wie ein weißes Segel fiel es auf den Boden. Dann griff sie hinter ihren Rücken. Es dauerte eine Weile, bis sie mit ihren zittrigen Händen alle Haken ihres Bustiers geöffnet hatte. Es landete neben dem Unterkleid. Danach konnte Wanda unmöglich die Unterhosen als einziges Kleidungsstück anlassen, und so streifte sie sie ebenfalls ab. All dies tat sie ohne jede Eile oder Scham. Wie erregend die Spannung war! Wie süß die Erwartung!
    Sie wusste, dass sie schön war. Seit ihre Weiblichkeit vor ein paar Jahren erwacht war, hatten die bewundernden Blicke der

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