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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nach hinten.
    »Jetzt reicht’s! Ihr habt sicher nichts dagegen, wenn ich mich entschuldige. Diesen Zirkus hält doch kein Mensch aus.«
    »Marie, so bleib doch!« Hilflos fuhr Ruth auf. »Ich kann nicht zulassen, dass Wanda nun auch noch dich vertreibt.«
    »Wieso sie? Ihr stellt euch doch an, als ob sie die erste Frau sei, die arbeiten will.«
    Kopfschüttelnd verharrte Marie in der Tür.
    »Ich weiß gar nicht, wo euer Problem ist. Auf der einen Seite erzählst du mir ständig, dass New York die Stadt der tausend Möglichkeiten ist«, sagte sie zu Steven. »Aber wenn eure Tochter versucht, eine davon zu ergreifen, dann macht ihr ein Mordstheater! Du meine Güte – sie hat doch nicht vor, den Mond zu polieren! Sie will doch lediglich ein paar Blocks von hier entfernt irgendwo arbeiten gehen.«
    Perplex starrte Wanda sie an – so kannte sie die deutsche Tante gar nicht!
    Ruth runzelte die Stirn. »So einfach ist das alles nicht. Es gibt gewisse Konventionen, die …«
    Marie lachte. »Konventionen! Als wir in Wandas Alter waren, waren uns die auch furchtbar wichtig!«, sagte sie ironisch. »Offenbar hast du vergessen, dass wir auch einmal jung waren …«
    Kopfschüttelnd verließ sie den Raum.

7
    »Stopp, stopp, meine Trampeltierchen. Wir machen Pause!« In die Hände klatschend scheuchte Pandora Wilkens ihre Schülerinnen in eine Ecke des Raumes, wo ein Tisch mit einer Wasserkaraffe stand.
    »Ihr müsst trinken!«, rief sie. »Wasser ist ein Elixier des Lebens. Wasser und Luft, Luft und Wasser, merkt euch das!«
    Marie hielt sich die Seite. »Ich kann nicht mehr, es sticht so fürchterlich«, keuchte sie. Ermattet ließ sie sich auf dem von Millionen Fußtritten abgewetzten Parkettboden nieder. Mit zittriger Hand stellte sie das Glas Wasser, das Wanda ihr reichte, neben sich ab.
    Als Wanda sie am Morgen gefragt hatte, ob sie Lust habe, mit zu ihrer wöchentlichen Tanzstunde zu kommen, hatte sie ihre Nichte nicht vor den Kopf stoßen wollen. Es war das erste Mal, dass Wanda auf sie zugekommen war. Und so hatten sie sich gemeinsam auf den halbstündigen Marsch zum südlichsten Zipfel von Manhattan gemacht. Marie hatte nicht schlecht gestaunt, als Wanda vor einem heruntergekommenen Steinhaus anhielt, dessen Vorderfront wie von einem Korsett von drei steilen Eisentreppen ummantelt war.
    Eine Tanzstunde – hier? Wo sollte hier ein Ballettsaal sein?Wo die Kristallspiegel? Wo der Plüsch und Pomp? Schon beim Betreten des Umkleideraumes, der nicht mehr als eine bessere Besenkammer war, hatte Marie festgestellt, dass eine Tanzstunde bei Pandora Wilkens nichts mit der romantischen Vorstellung zu tun hatte, die sie sich von einem solchen Zeitvertreib feiner junger Damen gemacht hatte.
    Mit dem Handrücken wischte sie sich jetzt den Schweiß von der Stirn.
    »Warum muss unsere erste gemeinsame Unternehmung ausgerechnet aus solch einer Quälerei bestehen?«, stöhnte sie bei dem Versuch, wieder aufzustehen.
    Wanda lachte. »Du atmest falsch, das ist dein Problem.«
    »Wie kann man falsch atmen?«, presste Marie hervor. »Ich bin froh, dass ich überhaupt noch zum Atmen komme!« Was mache ich hier eigentlich, fragte sie sich dann, während sie schluckweise an dem abgestandenen Wasser nippte. Sie kam sich so fürchterlich deplatziert vor! Die »Trampeltierchen«, wie Pandora ihre Schülerinnen nannte, waren alle mindestens zehn Jahre jünger als Marie. Und keine keuchte wie ein altes Weib, das gleich aus den Latschen kippt. Hah – Latschen! Die hatten sie ausziehen müssen, sobald sie den Raum betraten. Wie ihre Strümpfe und ihre Korsetts auch – Wandas Lehrerin hatte ihre eigene Vorstellung von tanztauglicher Kleidung! Unauffällig schaute Marie zu ihr hinüber. Wenn man sie so stehen sah, konnte man nicht annehmen, dass sich hinter der kleinen Statur und dem fast pummeligen Körper ein so temperamentvoller Mensch verbarg. Pandoras puppenhaftes Gesicht und die blonden, krausen Locken erweckten ebenfalls eher den Eindruck, als würde sie am liebsten ein gemächliches Menuett tanzen. Doch von wegen! Gleich zu Beginn der Tanzstunde hatte sie eine Kostprobe ihres Könnens gegeben: Die Trampeltierchen hatten sich in einem Kreis aufstellen und dann niederknien müssen. Mit einem huldvollen Lächeln war Pandora in die Mitte getreten und hatte dem Klavierspieler in der Ecke –er hieß Ivo und war Russe, hatte Wanda Marie zugeflüstert – ein Zeichen gegeben.
    »Mein Tanz heißt ›Eskapade‹«, hatte Pandora noch

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