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Die Amerikanerin

Die Amerikanerin

Titel: Die Amerikanerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Glasbläserin«, fügte Wanda stolz hinzu. »Ihr Baumschmuck wird in der ganzen Welt verkauft. Wahrscheinlich hängen ihre Kugeln auch an euren Bäumen.«
    Mit glänzenden Augen schauten die Mädchen Marie daraufhin an.
    »Wie romantisch!«
    »Und wie ging es dann weiter?«
    »Was haben deine Schwestern zu der Überraschung gesagt?«
    Lächelnd beantwortete Marie ihre Fragen, während Pandora stirnrunzelnd daneben stand.
    »Und was hat Mutter in dieser Zeit gemacht?«, wollte Wanda wissen, deren Augen noch glänzender als die der anderen Mädchen waren.
    Maries Hochstimmung verschwand abrupt. Deine Mutter war hochschwanger mit dir – von einem Mann, dessen Namen man heute in ihrer Gegenwart nicht einmal mehr nennen darf!
    »Ruth hat …«, krampfhaft suchte sie noch nach einer passenden Antwort, als Pandora erneut in die Hände klatschte.
    »Genug von Weihnachtsschmuck und solchen Geschichten!« Sie scheuchte ihre Schülerinnen auseinander. »Wir sind schließlich des Tanzes wegen hier! Und deshalb werde ich euch noch etwas vortanzen. Ein Kreis, bitte, marsch, marsch!«

    Als sie später nach Hause gingen, fühlte sich Marie so gut wie lange nicht mehr. Ihr kam es vor, als hätte das Tanzen riesige Eisschollen in ihrem Innersten aufgebrochen. Wie weggeblasen war ihre Regungslosigkeit, ihre innere Erstarrung. Auf einmal hätte sie die ganze Welt umarmen wollen! Stattdessen hakte sie sich bei Wanda unter.
    »Deine Pandora ist wirklich eine wahre Künstlerin!«

    Von da an unternahm Marie öfter etwas mit Wanda. Sie machten einen Spaziergang durch den Park, gingen Kaffee trinken oder auch in eine Bibliothek, wo sie sich mit Wandas Bücherausweis schwere Bildbände über Amerika holten. Einmal führte Wanda sie in einen Laden für Künstlerbedarf, den Marie jedoch tief deprimiert wieder verließ: Nicht einmal der Anblick der vielen Hundert Farben weckte in ihr die Lust, selbst zu Stiften und Pinsel zu greifen. Im Gegenteil, sie warfroh, dass sie nicht malen musste! Sie erzählte Wanda, die ihr offensichtlich mit dem Besuch dieses Ladens eine Freude machen wollte, nichts von ihrer Aversion, doch sie war zutiefst beunruhigt.
    Ruth beäugte diese Ausflüge eifersüchtig. Am liebsten hätte sie Marie ganz für sich behalten. Da dies jedoch nicht möglich schien, wollte sie zumindest einen Nutzen aus der ganzen Sache ziehen.
    »Bitte versuche, Wanda von ihrer lächerlichen Arbeitsuche abzubringen – tu es mir zuliebe!«, flehte sie Marie an. »Wir mussten damals arbeiten, sie muss es nicht! Zumindest nicht für Geld – Arbeit für einen guten Zweck ist natürlich etwas anderes. Aber so, wie Wanda sich anstellt, könnten die Leute den Eindruck gewinnen, bei uns käme nicht genug Essen auf den Tisch! Wahrscheinlich zerreißen sie sich längst hinter unserem Rücken die Mäuler. Schlag ihr vor, sich einer wohltätigen Sache zu widmen! Stevens Nichte Dorothy zum Beispiel …«
    »Wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich sehen, was sich machen lässt«, erwiderte Marie vage. Sie würde sich hüten, ins gleiche Horn zu blasen wie Ruth mit ihren Vorstellungen davon, was man in ihren Kreisen tat und was nicht! Sie stammte schließlich nicht aus diesen Kreisen, oder? Außerdem war es nicht so, dass sie und Wanda mit einem Schlag enge Vertraute geworden wären – Wanda hatte ihr bis heute noch nicht einmal ihren Verlobten vorgestellt. Sie unternahmen etwas zusammen, doch das hieß noch lange nicht, dass sie ihr Seelenleben voreinander ausbreiteten.

    Zur nächsten Tanzstunde ging Marie wie selbstverständlich wieder mit. Der spielerische Tanz zu Ivos Klaviermusik hatte ihr Spaß gemacht, warum sollte sie sich nicht noch einmal darin versuchen?
    Anfänglich dachte sie, die Aufgabe dieser Woche – Pandora las ein Gedicht über einen eingesperrten Panther vor, in den sie sich anschließend hineinfühlen sollten – würde ihr nicht liegen. Doch kaum schlug Ivo seine Melodie an, war Marie schon mitten in dem großen schwarzen Tier, fühlte seine Enge, seine Ohnmacht. Ihr Herz begann heftiger zu klopfen, ihre Arme und Beine bewegten sich aus eigenem Willen. Als die Musik endete, war sie froh, wieder in ihre eigene Haut schlüpfen zu können.
    Später, nachdem sie sich umgezogen hatten, nahm Wanda Marie noch einmal mit zu der Tänzerin. Pandora war gerade dabei, das von ihren Schülerinnen eingesammelte Geld zu zählen, als Wanda sich räusperte.
    »Es ist so … Marie, meine Tante, kommt doch … aus Deutschland«, sagte

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