Die Amerikanerin
französischer Modemagazine durchzublättern. Sogar Marie war entzückt gewesen von der Mode, die ihr so viel schlichter und praktischer erschien als die wallenden Kostümierungen in den New Yorker Kaufhäusern. Als Ruth sie darüber informierte, dass es gar nicht weit entfernt ein französisches Konfektionsgeschäft gab, beschloss Marie, diesem demnächst einen Besuch abzustatten – Franco sah es gern, wenn sie modisch gekleidet war, das hatte sie schon mitbekommen.
Franco … Vielleicht hatte sie Ruths und Wandas Ohren mit ihren Schwärmereien über ihn ein wenig zu sehr strapaziert.
»Franco hat gesagt …«
»Franco meint auch, dass …«
»Erst gestern hat Franco …«
Am Ende war ihr selbst peinlich gewesen, dass in jedem zweiten Satz sein Name fiel. Doch ihre Schwester und ihre Nichte hatten ausgesprochen langmütig darauf reagiert.
Der Friseur war gerade dabei, ihren Frisuren den letzten Schliff zu verleihen, als ein kleines, in dunkelblaue Seide eingeschlagenes Paket für Marie abgegeben wurde. Ein wohliger Schauer durchfuhr sie, als sie auf dem Absender Francos Namen erkannte. Unter vielen Bewunderungsrufen der beiden anderen hatte sie ein diamantenes Diadem ausgepackt.
»Für die Prinzessin dieser Nacht – in tiefer Bewunderung, Franco«, hatte auf dem Begleitkärtchen gestanden. Ruth hatte angeregt, dass Jacques ihre Frisur von Grund auf neu gestaltete, um Francos Geschenk einzuarbeiten.
Während ein Kellner ihr Glas mit Champagner füllte, strich sich Marie verstohlen durchs Haar. Sie und ein Diadem …
»Du brauchst keine Angst zu haben, mit den vielen Nadeln verrutscht nichts«, flüsterte Ruth, die ihre Handbewegung mitbekommen hatte. Sie drückte Maries Arm. »Wenn die in Lauscha dich so sehen könnten!«
Ein Schatten huschte über Maries Gesicht. Musste Ruth sie ausgerechnet jetzt an zu Hause erinnern? Hastig wechselte sie das Thema. »Deine Freundinnen sind alle so nett und so … interessiert an mir! Ich würde gern wissen, was du denen erzählt hast.«
»Nur dass du eine berühmte Glaskünstlerin bist«, sagte Ruth, während sie jemandem quer durch den Saal zuwinkte. »Die Amerikaner hatten schon immer ein besonderes Faible für alles Europäische.«
»Das habe ich gemerkt«, erwiderte Marie. »Die Leute, die ich im Village treffe, glauben alle, dass ich Franz Marc und Hermann Hesse persönlich kennen muss. Und hier werde ich über Versailles und den Botanischen Garten in München ausgefragt! Nur weil ich aus Europa komme, bin ich doch nicht gleich eine Expertin für den ganzen Kontinent!«, sagte sie lachend. »Glauben die etwa, Europa sei nicht größer als Fliegendreck?«
Ruth hob tadelnd die Brauen. »Was für ein Pech, dass dein Franco nicht hier sein kann«, seufzte sie dann. »Wo er mit seinem edlen Geschenk doch bewiesen hat, dass er ein sehr großzügiger und feiner Mensch sein muss.«
Marie grinste in sich hinein. Typisch Ruth! Plötzlich hatte sie das Gefühl, ihre Schwester umarmen zu müssen.
»Vielen, vielen Dank für das schöne Fest! Die Blumen überall, das gute Essen, die Musik – es ist, als hättest du uns in ein Zauberschloss entführt!« Marie machte eine Handbewegung, die den prachtvoll geschmückten Saal einschloss.
»Hast du wirklich zuerst geglaubt, das Fest würde in unserer Wohnung stattfinden?« Ruth kicherte ausgelassen.
Marie zuckte mit den Schultern. »Auf wie vielen Bällen, glaubst du, bin ich bisher gewesen? Ich kann doch nicht wissen, wie und wo –« Sie brach ab, als Wanda sich zu ihnen über den Tisch beugte.
»Der Kapellmeister hat mir gerade ein Zeichen gegeben. Wenn du einverstanden wärst, könnte Pandoras Aufführung beginnen.« Aufgeregt zupfte sie an den Locken, die Jacques ihr gelegt hatte.
Ruth klappte den Deckel ihrer brillantbesetzten Armbanduhr auf. »Zehn Uhr – immerhin ist sie pünktlich«, stellte sie befriedigt fest. »Bei Stevens letztem Geburtstag hatte ich eine Sopranistin verpflichtet, die kam doch tatsächlich zehn Minuten zu spät, kannst du dir das vorstellen?«
Marie stieß einen entsetzten Laut aus, während sie Wanda verstohlen zuzwinkerte.
Pandora hatte vorgeschlagen, Marie zu Ehren »Die Moldau« tänzerisch umzusetzen. »Eine Reminiszenz an Maries europäische Wurzeln«, hatte sie ihre Wahl begründet. Ruth war damit einverstanden gewesen: Die romantischen Weisen würden sicher den Geschmack ihrer Gäste treffen. Wanda hatte erst einmal aufgeatmet. Pandora mit ihrem expressiven Hang zum
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