Die amerikanische Nacht
umzusehen.«
»Wie lange?«
Das Heulen von Sirenen in der Ferne beantwortete ihre Frage. Sie wurden lauter, und plötzlich rasten drei Polizeiautos durch die Straße und kamen mit quietschenden Reifen vor dem Stadthaus zum Stehen. Vier Polizisten sprangen heraus und hasteten die Treppe hinauf. Gallo öffnete die Tür und sie verschwanden im Haus. Zwei Polizisten blieben auf der Treppe zurück und blickten misstrauisch die Straße hinab.
»Höchste Zeit, von hier abzuhauen«, sagte ich.
»Aber wir müssen sehen, ob mit ihm alles in Ordnung ist …«
»Wir können ihm besser helfen, wenn wir
nicht
im Knast sind.«
Doch jetzt waren laute Stimmen zu hören und die Polizisten tauchten wieder auf. Sie führten Hopper die Stufen hinab.
Er war in Handschellen und sein grauer Mantel war konfisziert worden. Davon abgesehen wirkte er in seinem ausgewaschenen blauen T-Shirt und der Jeans ziemlich unbeeindruckt von dem, was mit ihm geschah. Er vermied es bewusst, in unsere Richtung zu blicken, doch ich hätte schwören können, dass ich auf seinem Gesicht ein leichtes Lächeln sah, als sie seinen Kopf hinunterdrückten und ihn unsanft auf den Rücksitz stießen.
69
Zu Hause rief ich einen alten Freund an, einen Strafverteidiger namens Leonard Blumenstein. Ich hatte seine Hilfe nie benötigt –
bis jetzt jedenfalls
–, doch er hatte schon vielen Leuten, die ich kannte, aus der Klemme geholfen. Anscheinend konnte man Blumenstein ein paar Stunden, nachdem man seine Frau umgebracht hatte, anrufen, und er versicherte einem mit einer Stimme, die seidiger war als ein Schal von Hermès, dass alles wieder in Ordnung kommen werde. Dann gab er genaue Anweisungen, als ginge es lediglich um einen verlorenen Ausweis.
Ich hinterließ eine Nachricht bei seinem Telefonauftragsdienst: Jemand, der mir bei Recherchen zur Hand ging, hat es etwas übertrieben und ist in ein Privathaus eingebrochen – er war jedoch unbewaffnet und hat nichts gestohlen –, und befindet sich jetzt in Polizeigewahrsam.
Die Dame versicherte mir, dass Blumenstein mich zurückrufen würde.
Nora und ich gingen in mein Büro, um nach Inez Gallo zu recherchieren.
»Was wissen wir über sie?«, fragte Nora und rollte sich auf dem Sofa neben dem Karton mit meinen Notizen zusammen.
»Nicht viel«, sagte ich. »Angeblich war sie nur Cordovas langjährige Assistentin. Aber den Nachspännen nach hat sie bei allen seinen Filmen am Drehbuch mitgearbeitet.«
Ich durchwühlte meine Unterlagen und zog Inez Gallos Hochzeitsfoto heraus. Das Bild wurde immer abgedruckt, wenn ihr Name irgendwo in der Presse auftauchte. Sie strahlte darauf wie jede andere frisch Verheiratete, was es umso tragischer machte. Jahre später würde sie diesen Mann und ihre beiden Kinder verlassen, um mit Cordova zu arbeiten.
»Außerdem haben wir diese Seite auf den Blackboards gefunden«, sagte Nora. »Die, auf der behauptet wird, dass sie und Cordova dieselbe Person sind. Beide haben ein kleines Rad auf der linken Hand tätowiert. Bist du sicher, dass es eine Frau war?«
»Definitiv.«
Wir suchten bei YouTube und stießen auf einen körnigen Mitschnitt von Gallos berühmter Dankesrede, die sie bei der Oscarverleihung 1980 an Cordovas Stelle gehalten hatte.
Zu Beginn verkündeten die Co-Moderatoren Goldie Hawn und Steven Spielberg, »Und der Oscar geht an … Stanislas Cordova für ›Daumenschraube‹«.
Dem Publikum verschlug es den Atem, damit hatte niemand gerechnet. Alle dachten, dass der Preis für die beste Regie ganz sicher an Robert Benton gehen würde, den Regisseur von »Kramer gegen Kramer«. Benton selbst war sich so sicher zu gewinnen, dass er tatsächlich aufstand und schon auf dem Weg zur Bühne war, bis seine Frau aufsprang und ihn mit Gewalt zurückhielt. Es folgte eine längere Pause, in der das Publikum sich verwirrt umsah und tuschelte. Alle fragten sich, ob ein Fehler passiert und Cordova tatsächlich anwesend war.
Dann richteten sich die Kameras auf Inez Gallo, die rasch den engen Seitengang des Dorothy Chandler Pavillons hinunterkam. Man hatte sie im hinteren Teil platziert, fernab der echten Stars, wie Jack Lemmon, Bo Derek, Sally Field und Dudley Moore.
Gallo hatte schwarzes Haar und war stämmig gebaut, mit kräftigen, muskulösen Zügen – die Ähnlichkeit mit sehr frühen Fotografien von Cordova war unbestreitbar –, sie trug ein schwarzes Kleid und Stiefel. Später sollten einige der Zuschauer zugeben, dass sie dachten, sie wollte die Veranstaltung
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