Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die amerikanische Nacht

Die amerikanische Nacht

Titel: Die amerikanische Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisha Pessl
Vom Netzwerk:
altes Plastikplanschbecken, das wie eine aufgedrückte Pustel aussah.
    Von diesem Haus, wie es dort im Schatten vor uns aufgetaucht war, ging etwas durch und durch Bedrohliches aus, so dass ich automatisch den Motor und die Scheinwerfer abstellte. Eine einzelne Glühbirne neben der Haustür erleuchtete eine halb zu Boden hängende Sitzschaukel und eine alte Klimaanlage. In einem der hinteren Räume brannte ein Licht – ein winziges rechteckiges Fenster mit zugezogenen, minzgrünen Gardinen.
    Mir fiel auf, dass wir von diesem Mann – oder dieser Frau – rein gar nichts wussten,
Morgan Devold
. Wir folgten dem Hinweis einer Wildfremden, einer Pflegerin aus Briarwood – die, wenn ich mich an unsere Begegnung mit ihr erinnerte, nicht wirklich klar bei Verstand zu sein schien.
    Neben dem Haus parkten vor einem Holzverschlag ein Pick-up-Truck und ein alter grauer Buick, aus dessen Kofferraum eine Plastikplane hing.
    »Und jetzt?«, fragte Nora nervös. Sie kaute auf ihrem Daumennagel.
    »Lasst uns den Plan noch einmal durchgehen«, sagte ich.
    »Den
Plan
?« Hopper, der sich zu uns nach vorne gebeugt hatte, musste lachen. »Der ist ganz einfach. Wir reden mit Morgan Devold und finden heraus, was er weiß. Los.«
    Bevor ich etwas sagen konnte, war er ausgestiegen, hatte die Autotür zugeknallt und sich auf den Weg zum Haus gemacht. Sein grauer Wollmantel flatterte hinter ihm im Wind, und mit dem gesenkten Kopf und der entschlossenen Art, in der er direkt auf das Haus zusteuerte, erinnerte er an eine schlechtgelaunte Figur in einem Comic, die gleich brutal Vergeltung an den Bewohnern üben würde.
    »Er ist von den Toten zurück«, murmelte ich. »Was hast du ihm in den Kaffee getan?«
    Nora antwortete nicht – sie war zu sehr damit beschäftigt, möglichst schnell die Tür aufzumachen, wie eine übereifrige kleine Schwester, die nicht zurückstehen wollte. Sekunden später kletterte sie aus dem Wagen und raste hinter ihm her.
    Ich hielt mich zurück und wartete. Sollten sie doch die Späher sein –
die einfachen Soldaten, die nach Minen suchten, bevor der General vorfuhr.
    Ihre Schritte waren die einzigen Geräusche – das leise Knirschen von Blättern und im Gras versteckten Stöckchen. Vielleicht lag es an der abblätternden Farbe, die dem Haus eine schuppige Haut verlieh, jedenfalls sah es reptilienhaft und lebendig aus, wie es da zwischen den Bäumen wartete – das eine erleuchtete Fenster wie ein Auge, das uns beobachtete.
    Irgendwo weit weg bellte ein Hund.
    Hopper war bereits an der Terrasse angekommen, also stieg ich aus dem Auto aus. Er ging um die Klimaanlage herum, öffnete die Fliegengittertür und klopfte an.
    Keine Reaktion.
    Er klopfte noch einmal und wartete. Ein Windstoß blies einen Haufen Blätter über den Rasen.
    Noch immer antwortete niemand. Er ließ die Fliegengittertür zufallen und sprang in ein Blumenbeet mit toten Stängeln und einem verknoteten Gartenschlauch hinab. Er beschattete sich die Augen und spähte durch eines der Fenster.
    »Da ist jemand zu Hause«, flüsterte er. »In der Küche läuft der Fernseher.«
    »Was gucken sie?«, fragte ich leise. Ich stieg über den riesigen Stamm des umgefallenen Baumes, ging an Nora vorbei und sah mir etwas an, das mit dem Gesicht nach unten im Gras lag. Ein alter Teddybär.
    »
Wieso?
«, flüsterte Hopper und sah mich an.
    »Dann wissen wir, mit was für Leuten wir es zu tun haben. Wenn sie japanische Hardcore-Animes gucken, haben wir ein Problem. Aber wenn es das ›Barbara Walters Special‹ ist …«
    »Sieht aus wie ›Glücksrad‹.«
    »Das ist noch schlimmer.«
    Hopper trat behutsam auf die Terrasse zurück. Diesmal fiel ihm eine schmutzverkrustete Klingel auf. Er drückte sie zweimal.
    Plötzlich wurden verschiedene Schlösser geöffnet, eine Türkette gelöst und die Tür aufgerissen. Hinter dem Fliegengitter erschien eine blonde Frau mittleren Alters. Sie trug eine ausgebeulte graue Jogginghose und ein fleckiges blaues T-Shirt und hatte ihre wasserstoffgefärbten Strähnchen zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    »Guten Abend, Ma’am«, sagte Hopper. »Tut mir leid, dass wir zur Essenszeit stören. Wir sind auf der Suche nach Morgan Devold.«
    Sie musterte ihn misstrauisch, dann reckte sie den Hals, um mich anzusehen.
    »Was wollen Sie von Morgan?«
    »Nur uns unterhalten«, sagte Hopper mit einem entspannten Achselzucken. »Es dauert nur ein paar Minuten. Wir kommen von Briarwood.«
    »Er ist nicht da«, sagte die Frau

Weitere Kostenlose Bücher