Die amerikanische Nacht
würde.
»Soll ich Popcorn machen?«, fragte ich sie.
»Auf jeden Fall.«
Am Ende sahen wir uns »Warte hier auf mich« komplett an.
Cordovas Filme waren eine süchtig machende Droge; es war nicht möglich, nur eine einzelne Minute zu gucken. Man wollte immer mehr. Gegen 05 : 30 Uhr war mein Kopf vollgesogen mit blutigen Bildern und dieser teuflischen Geschichte – ganz zu schweigen vom Echo der anonymen Stimmen, die von den Blackboards zu mir sprachen –, und Nora und ich machten Feierabend.
30
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, musste ich feststellen, dass
Vanity Fair
meldete, »den exklusiven Insiderbericht« zu Ashley Cordova zu haben. In den nächsten Tagen würde ein Artikel von Liz Kruger auf der Website der Zeitschrift veröffentlicht. Das bedeutete nicht nur, dass noch weitere Reporter auf dieser heißen Spur waren, sondern dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie in Briarwood Hall auftauchen würden – und vor der Haustür von Morgan Devold. Der Vorsprung, den ich mir durch Sharon Falcone und die Polizeiakten verschafft hatte, würde in wenigen Tagen dahin sein.
Und dummerweise waren meine Recherchen ins Stocken geraten.
Wir hatten von Ashleys Flucht aus Briarwood und ihrer diagnostizierten Krankheit erfahren, Nyktophobie, »einer massiven Furcht vor der Dunkelheit oder Nacht, durch die eine Wahrnehmungsverzerrung im Gehirn in Bezug auf das ausgelöst wird, was dem Körper zustoßen könnte oder wird, sobald er einer dunklen Umgebung ausgesetzt ist«, schrieb das
New England Journal of Medicine.
Wir hatten einen kleinen Coup gelandet, als wir uns erfolgreich bei den Blackboards eingeloggt hatten und nun durchsuchen konnten, welche Gerüchte seine treuesten Fans miteinander teilten.
Doch es gab keine neue Spur, die wir verfolgen konnten.
Ashley war mit dem Zug in die Stadt gekommen, nachdem sie Morgan Devold zurückgelassen hatte. Aber
wieso
, und wo sie in den zehn Tagen vor ihrem Tod gewesen war – außer im 30 . Stock des Waldorf Towers – war immer noch ein Rätsel.
Ich konnte einen Angestellten des Hotels bestechen und mir eine Liste aller Gäste geben lassen, die in diesem Zeitraum – 30 . September bis 10 . Oktober – auf dieser Etage gewohnt hatten, aber ich wusste aus eigener Erfahrung, dass ich
noch etwas
brauchte, einen Filter für die Namen. Die Liste wäre lang, und viele der Gäste wären bestimmt reiche Touristen, die nicht gerne dazu befragt wurden – oder sich verpflichtet fühlten, ehrlich zu antworten, was sie im Hotel getan hatten. Bis ich alle gefunden und ihnen Ashleys Bild gezeigt hätte, hätte ich wahrscheinlich nur wenige Anhaltspunkte, und, noch schlimmer, das Ganze würde höllisch viel Zeit in Anspruch nehmen.
»Vielleicht könnten wir Ashleys Foto den Geschäften um das Waldorf herum zeigen«, sagte Nora, nachdem ich ihr dies erklärt hatte. »Und fragen, ob jemand sie gesehen hat. Sie müsste aufgefallen sein, mit dem roten Mantel.«
»Da kann ich genauso gut mit dem Foto zum Times Square gehen und beliebige Passanten fragen, ob sie sie gesehen haben. Das ist zu ungenau. Wir brauchen was Spezifischeres.«
Sie schlug vor, Cordovas Filme anzusehen. »Vielleicht fällt uns ein verstecktes Detail auf, wie Theos drei fehlende Finger.«
Weil es gerade keine Alternative gab, holte ich die Box mit den acht Filmen hervor, die von Warner Bros. herausgebracht worden waren – von »Figuren in Licht getaucht« ( 1966 ) bis »Kind der Liebe« ( 1985 ). Die Verpackung war dem berühmten Samsonite-Aktenkoffer aus »Daumenschraube« ( 1979 ) nachempfunden. Wir zogen die Vorhänge im Wohnzimmer zu, machten noch mehr Popcorn und begannen unseren Cordova-Marathon.
Nora rief Hopper an, um ihn dazuzuladen, doch er antwortete nicht. Es hätte mich nicht überrascht, wenn wir ihn nie wieder gesehen hätten. In welcher Beziehung zu Ashley er auch gestanden haben mochte, seine Rastlosigkeit sagte mir, dass sein Antrieb, an den Recherchen teilzunehmen, so sprunghaft war wie seine Launen. Er schien zwischen starkem Interesse und dem Wunsch zu schwanken, die ganze Sache zu vergessen.
Als wir gerade anfangen wollten, »Daumenschraube« anzusehen, und ich in der Küche Popcorn machte, klingelte es an der Tür.
»Ich geh schon!«, flötete Nora.
Als ich eine Minute später nur Stille hörte, riskierte ich einen Blick und erschrak. Cynthia und meine Tochter Sam standen im Flur und starrten Nora fassungslos an.
Ich war an diesem Wochenende mit der Betreuung
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