Die Anatomie des Todes
wünschen.«
Skarv erwiderte ihr Lächeln nicht, stattdessen fixierte er sie mit seinen dunklen Augen.
»Hätte ich bloà Sie statt Erik beauftragen können. Sie hätten den Auftrag ausgeführt, ohne mit der Wimper zu zucken, habe ich nicht recht?«
Es vergingen ein paar Sekunden, ehe sie begriff, was Skarv da gerade gesagt hatte.
»Wie ⦠wie meinen Sie das?«
Skarv atmete schwer. »Erik war immer ein schwaches Kind.«
Maja spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog, was ihr fast die Luft abschnürte.
»Wollen Sie damit sagen ⦠dass Sie hinter dem Mord an Jo Lilleengen stecken?«
In diesem Moment bekam Tjodolv einen Hustenanfall, der es ihm unmöglich machte, sofort zu antworten.
»Lilleengen hat das Forum Medica bedroht. Er war nicht zur Vernunft zu bringen. Er wollte in dem Haus wohnen bleiben, wider alle Absprachen.« Skarv schüttelte den Kopf. »Das war eine ungeheure Arroganz.«
»Und dann hat Erik ihn getötet?«
»Das war es ja, was er nicht konnte â¦Â«
»Und wer ⦠wer hat es dann getan?«, fragte Maja, obwohl sie fürchtete, die Antwort bereits zu kennen.
»Was Erik an Willensstärke fehlt, das haben meine Männer. Ich habe ihm immer gesagt, er solle sich Leute fürs Grobe mitnehmen. Das hat er zumindest gelernt.«
»Ihre Männer?« Sie schaute ihn fragend an.
In Skarvs düsterem Gesicht schien der Anflug eines Lächelns auf. »Mit denen Sie bestimmt auch schon Bekanntschaft gemacht haben.«
Maja wurde speiübel. Sie wünschte sich plötzlich, die beiden Männer wären nur eine Ausgeburt ihrer Phantasie gewesen.
»Was ist mit ⦠Eigil Kvam? Wer hat ihn getötet? Das war doch nicht Vikse ⦠der Mann, nach dem gefahndet wurde?«
»Ich kenne diesen Namen nicht«, antwortete Skarv, ehe er zum Fenster hinübersah, an dem der Schneesturm rüttelte.
»Vielleicht können Sie immer noch fliehen, ehe sie eintreffen.«
»Antworten Sie mir, verdammt!«, stieà sie mit erstickter Stimme aus.
»Der Säufer hat Erik zu erpressen versucht. Offenbar hat er gesehen, wie Erik damals Jos Haus verlieÃ.«
»Und dann haben Ihre Männer ⦠ihn zerstückelt?«
»Sagen wir, sie haben ein Zeichen gesetzt, das alle verstehen konnten.«
Sie stützte sich gegen den Bettrahmen. »Warum hat Munkejord es dann nicht auch verstanden?«
Tjodolv Skarv schüttelte den Kopf. »Munkejord war vor Kvam. Es hat nur eine Zeit gedauert, bis der Fluss ihn wieder ausgespuckt hat.«
»Aber warum?«
»Munkejord hat zu viele Fragen zum Tod seines Freundes gestellt«, antwortete Skarv. »Als geborener Befehlsempfänger sollte man das nicht tun. Das hätte er eigentlich wissen müssen.«
Maja konnte ihre Ãbelkeit nicht länger unterdrücken. Ihr Zwerchfell zog sich zusammen, und im nächsten Augenblick erbrach sie sich auf einen der wertvollen Teppiche.
»Ach du meine Güte«, sagte Skarv und reichte ihr ein Taschentuch.
»Sie sind ⦠wahnsinnig!«, stammelte sie und wischte sich mit dem Ãrmel den Mundwinkel ab.
»Nennen wir es lieber pragmatisch. Dafür müssten gerade Sie als Ãrztin doch Verständnis haben.«
»Wofür?«
»Dafür, dass der Einzelne kein Recht hat, dem Glück einer groÃen Mehrheit im Weg zu stehen.«
»Deswegen bringe ich aber niemanden um.«
Skarv zuckte unmerklich die Schultern. »Trotzdem sollten
Sie jetzt lieber das Fläschchen wieder in den Schrank zurückstellen.«
»Nie im Leben!«
»Wenn Sie es nicht tun, gefährden Sie ein Projekt, das noch Tausende von Menschenleben retten wird«, sagte er mit überlegener Miene.
»So eine Rechnung aufzumachen, ist zynisch.«
»Trotzdem ist sie richtig. Sie haben eine Antwort auf alle Ihre Fragen gefunden. Was wollen Sie noch?«
»Gerechtigkeit.«
Skarv schüttelte vielsagend den Kopf. »So naiv sind nicht einmal Sie.«
Er unterdrückte einen Hustenanfall. »Was soll das für eine Gerechtigkeit sein, die verhindert, dass den Patienten von morgen geholfen wird, nur um einen alten Mann vor Gericht zu stellen? Ein Mann, der seiner Verurteilung ohnehin entgehen wird, ob das nun das Verdienst seiner Anwälte oder eines gnädigen Todes ist. Soll das Gerechtigkeit sein?«
Maja antwortete nicht.
»Ist das nicht vielmehr Ausdruck
Weitere Kostenlose Bücher