Die andere Seite des Glücks
tränenerstickter Stimme vom Mobiltelefon aus an, denn er und Gil, sein Lebensgefährte, kamen nur schleichend auf dem Highway 101 voran.
Später, als die Kinder eingedöst waren, merkte David, dass ich mich auf der Toilette eingeschlossen hatte, und sagte durch die Tür hindurch: »Meine Liebe, machst du Pipi oder weinst du oder beides?«
Nichts davon. Ich hatte mich für ein paar Minuten weggestohlen und starrte mein Spiegelbild an, verwundert, dass alles in meinem Gesicht noch genauso war wie immer: Die Augen an der ihnen zugewiesenen Stelle über der Nase, der Mund darunter. Ich schloss die Tür auf, er kam herein und schloss sie wieder zu, stand da, die Arme seitlich am Körper, die Handflächen nach außen gedreht. Sein vom Schmerz gezeichnetes Gesicht war unrasiert und doch wie immer wunderschön. Er hatte das perfekt gemeißelte Antlitz und den wohlgeformten Körper einer römischen Statue, so dass er für seine Freunde nur »der David« war. Wir hielten uns in den Armen, und er flüsterte: »Was sollen wir nur ohne ihn machen?« Ich schüttelte den Kopf und tat nichts dagegen, dass meine Nase tropfte und seine Schulter nass wurde.
In dieser Nacht, mit einem schlafenden Kind in jedem Arm und Tränen, die mir in die Ohren liefen, fragte ich mich, wie wir das alles überstehen sollten. Doch dann machte ich mir bewusst, dass ich schon einmal ein großes Leid, das mich zu zerstören drohte, überlebt hatte.
Wenn ich heute an meine siebenjährige Ehe mit Henry zurückdenke, dann als an »die Jahre der Versuche«. Den Versuch, einen Felsbrocken den Berg hinaufzurollen. Den Versuch, Henrys träges Sperma in meinen Uterus zu befördern. Den Versuch, meine sturen Eier durch das Eileiterwirrwarr meines Unterleibs zu manövrieren. Die Anrufe bei Henry, er müsse dringend zum Mittagessen nach Hause kommen. Der schwierige Sex nach Plan. Und hinterher, auf dem Rücken liegend und die Füße in der Luft, der Versuch, Ei und Samen qua Willenskraft zusammenzuführen:
Trefft euch
.
Kommt zusammen! Vereinigt euch!
(An dem Punkt war ich überzeugt, dass meine Eier Schalen hatten, die schwer kaputtzukriegen waren.) Mein Wunsch nach einem Kind war so groß, dass er mich vollkommen beherrschte. Er nahm mich in Geiselhaft; meine Tage waren so dunkel und in sich verknotet wie die Vorstellung, die ich von meinem Uterus hatte: eine unheimliche, wenig einladende Höhle.
Dann war ich endlich schwanger.
Und verlor das Baby.
Ich lag auf dem Sofa, unter mir alte Handtücher, und hörte, wie Henry in der Küche die nötigen Anrufe machte, fühlte mich so unzulänglich, wie die entsprechende Terminologie es nahelegte. Ich hatte das Kind
verloren
– wie Schlüssel oder einen Perlmuttohrring. Oder
Spontanabort
, was klang, als hätten wir das Kind plötzlich nicht mehr gewollt und das einfach beschlossen. Und schließlich
Fehlgeburt
– eine Geburt, bei der mir ein Fehler unterlaufen war.
Weitermachen. Versuchen, schwanger zu werden, versuchen, schwanger zu bleiben. Versuche mit Spritzen, Gels, Pillen, Hoffnung, Euphorie, Bettruhe, mehr Bettruhe. Am Ende Verzweiflung.
Immer und immer wieder. Insgesamt fünfmal.
Und dann, eines Ostermorgens – während die Nachbarkinder in ihren neuen pastellfarbenen Kleidern auf den schmalen Rasenstreifen auf und ab liefen und ihre Körbchen mit Eiern füllten, die glockenklaren Stimmen voll süßer Freude und die Gesichter schokoladeverschmiert –, saßen Henry und ich an unserem langen, leeren Esstisch und beschlossen aufzugeben. Wir wollten nicht länger ein Kind bekommen und auch keine Ehe mehr führen. Henry war derjenige, der den Mut fand, die Worte auszusprechen: Es gab kein Wir mehr, nur noch die Obsession, und vielleicht war das der Grund, warum wir so hartnäckig am Kinderwunsch festgehalten hatten.
Damals schien es, als würde ich mein Leben lang traurig sein. Wie sollte ich auch wissen, dass das Universum nur sechs Monate später den Schalter umlegen würde? Ich war auf der kurvenreichen Straße – trefflich Bohemian Highway genannt – durch Sonoma County gefahren und hatte den Redwoods, die wie ein Begrüßungskomitee die Straße säumten, »Adieu, Bio-Tech Boulevard!« zugerufen. An der Brücke wartete ich, bis ein paar junge Typen mit Rastalocken und Gitarren die Straße überquerten, um runter zum Flussufer zu gelangen, und sie winkten, als hätten sie mich erwartet. Ich folgte dem Schild nach Elbow und hielt vor Capozzi’s Market. »Adieu, Tristesse in San Diego.«
Joe und
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