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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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fernbleiben sollt. Die hätten euch Japse und Itaker, die ihr die Deutschen so liebt, für immer wegsperren sollen!‹, und dann hat er Max erschossen. Was für ein verdammter Idiot. Joe wollte es der Polizei melden, aber Großvater Sergio und Dad haben es ihm verboten.« David stieß einen langen Pfiff aus, dem Schweigen folgte.
    »David?«
    »O mein Gott! Grade hab ich’s kapiert. Sie hatten gesagt, er sei wirklich unbefugt auf dem Grundstück gewesen und dass sie keinen Ärger wollten. Dass sie dem Namen Capozzi nicht schaden wollten.«
    »Dabei hätten sie bloß dem Namen von diesem Jasper Soundso geschadet.«
    »Richtig. Joe hat eine Woche lang ununterbrochen geheult, ich erinnere mich noch genau. Sogar beim Softballtraining. Eines Abends hat dann mein Dad beim Dinner gesagt, er soll endlich aufhören, so ein Weichei zu sein. Joe war vom Tisch aufgestanden und weggelaufen, und ich wartete darauf, dass ein Donnerwetter losbrach. Aber mein Dad saß nur da, aß weiter und sah über den Tisch hinweg Großvater Sergio an. Meine Mutter guckte runter auf ihre Hände. Es wurde kein Wort mehr darüber verloren, nie wieder.«
    Ich sah es beinahe vor mir, wie sie um den reich gedeckten Tisch saßen, den leeren Stuhl, der den ganzen Raum beherrschte – und wie all ihre Geheimnisse, der unterdrückte Zorn, die Ängste und Demütigungen zwischen ihnen hin und her wanderten.
Mangia, mangia!
Nimm doch noch eine Portion Schweigen.

    Als wir uns Las Vegas näherten, wachte Callie auf und bellte die nicht enden wollenden Leuchtreklamen an – obwohl sie noch weit weg waren. Schon bald glichen sie einem Feuerwerk, dem man viel zu nah gekommen war und das mein erhitztes Gesicht mit blinkenden, laufenden und flackernden Farben überzog.
    Doch die Lichter verloren schon am nächsten Morgen ihren Glanz, als ich einen unverstellten Blick auf den Strip hatte. Da wurde mir bewusst, dass sie bloßer Ersatz waren und mich für die Tatsache blind machen sollten, dass es hier kein Fitzelchen natürliche Schönheit gab oder auch nur sonst irgendwas Natürliches. Nirgendwo. Das einzige bisschen Grün bildete eine Reihe gepflanzter Palmen in der Mitte des Strip. Als ich vor einer roten Ampel stand, beobachtete ich einen älteren Mann und eine viel jüngere Frau, die in ihrem schwarzen Cabrio Kokain schnupften. Er gab ihr den gerollten Geldschein und den Spiegel und hielt ihr langes schwarzes Haar zurück, während sie das weiße Pulver einsog. Ob Annie und Zach so etwas auf dem Schulweg sahen? Wie hatte Paige bloß von Elbow – mit seinen saftig grünen, über und über mit Bäumen bewachsenen Hügeln, die bis hinunter zum Fluss reichten – hierher ziehen und dann auch noch die Kinder hierherholen können? Ich konnte mir Annie und Zach an diesem Ort nicht einmal vorstellen, geschweige denn, dass sie ihn Zuhause nannten.
    Aber, gemahnte ich mich, nicht für jeden war Elbow ein Utopia. Die verregneten Winter hatten Paige zugesetzt und ihre Depressionen verschlimmert, wie sie schrieb. Sie wollte es warm und trocken haben. Doch der gewichtigste Grund, das wusste ich aus den Briefen, war, dass sie außer zu ihrer Tante Bernie, die in einer Wohnwagensiedlung am Rande von Las Vegas wohnte, nirgendwo hatte hingehen können. Eine Tante, die sie liebte, so wie sie war, hatte Paige geschrieben. Daran musste ich denken, als ich auf die Schnellstraße bog und nicht wusste, wohin ich fahren oder ob ich sie vielleicht anrufen sollte. Die Straße war von unzähligen Reklamewänden gesäumt, unter denen jedoch eine hervorstach. War das wirklich wahr? Ich beugte mich übers Lenkrad und starrte sie an. Ja, bei Gott, das war sie. Da stand Paige mit verschränkten Armen, drei Meter groß, im smarten Kostüm und das knappe Lächeln wurstplattengroß. SIE WOLLEN IHR OBJEKT IM RICHTIGEN LICHT PRÄSENTIEREN ? RUFEN SIE MICH AN . Der gleiche Spruch wie auf ihrer Visitenkarte, die gleiche Telefonnummer, die ich die ganze Woche angerufen hatte. »Mannomannomann«, sagte ich zu Callie, deren Pfoten auf der Konsole zwischen unseren Sitzen lagen und die mich kopfwackelnd aus neun verschiedenen Richtungen ansah. Es schien, als entdecke ich jedes Mal, wenn ich etwas an Paige verstand oder Mitleid mit ihr bekam, eine neue Seite an ihr. Wer war diese Frau, die sich selbst auf einer Werbewand präsentierte? Vielleicht hockten sich ja Tauben oben drauf und bekleckerten sie mit
Columbia livia
-Scheiße.
    Dennoch, deutlicher konnte eine Aufforderung wohl kaum sein. Ich tippte die

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