Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
Vom Netzwerk:
dass wir oft Pausen machen und viel Wasser trinken mussten. Ich sehnte mich nach Elbow, dem Garten und den Hühnern, dem kühlen Fluss und dem Picknickladen – aber noch mehr nach Annie und Zach.
    In den Unterlagen vom Gericht stand Paiges Adresse, und ich fuhr an ihrem Haus vorbei. Es lag in einem städtischen Viertel in einer neuen Wohnsiedlung, mit einer einzigen kleinen Birke in jedem Vorgarten. Das große stuckverzierte Haus stand auf einem winzigen Grundstück, umgeben von ähnlichen Häusern in A-, B-, C- oder D-Ausführung. Sosehr mich die rote Tür – absolut Fengshui – zum Anklopfen animierte, verkniff ich es mir doch. In weniger als zwei Wochen hatte ich Besuchserlaubnis, und mit so etwas wollte ich den Besuch der Kinder in meiner Wohnung nicht gefährden.
    In mein Notizbuch schrieb ich:
Wer ist Paige? Wie kann ich sie überreden, mit mir zu sprechen?
Ich schrieb:
Warum hatte Joe überhaupt zugestimmt, den Laden zu übernehmen? Wollte er nicht seit seinem elften Lebensjahr Fotograf werden?
Ich schrieb:
Annies Lachen, Zachs Zehen. Wir schneiden Lavendel ab und hängen ihn in der Scheune auf. Annie ist von einer Biene gestochen worden, weint und sagt: »Wenigstens macht dieses Miststück auch Honig.«

    Ich konzentrierte mich darauf, eine Wohnung zu finden und positiv gestimmt zu bleiben. Ich wollte zeigen, wie stark und hartnäckig ich sein konnte, und falls Paige nicht darauf reagierte, würde vielleicht ein Richter meine Bemühungen anerkennen und belohnen.
    Ich hinterließ weitere Nachrichten für Paige. »Ich werde in Kürze eine Wohnung haben. Ich würde gern mit Ihnen sprechen. Sagen Sie bitte den Kindern, dass ich angerufen habe und sie liebe.« Ich schickte auch Briefe und hoffte, dass sie den Kindern wenigstens die nicht vorenthielt.

    Schließlich fand ich ein erschwingliches Apartment mit Swimmingpool, wo auch ein Hund erlaubt war – diese drei Kriterien waren das einzig Erwähnenswerte. Paige hatte einen Pool, und ich wollte, dass sich die Kinder auch bei mir abkühlen konnten. Außerdem musste Zach seine Angst – gepaart mit der Faszination – vor Wasser überwinden und schwimmen lernen.
    Ich saß in der leeren Wohnung auf meinem Schlafsack, an den Wänden nichts weiter als den Stadtplan von Las Vegas, den Clem Silver mir gegeben hatte, und die Karte mit Picknickplätzen aus unserem Laden.

    Eines Abends rief David an und erzählte, dass der Laden besser lief als zuvor, aber – noch – nicht gut genug. Seit Wochen regnete es, und er wollte eine Anzeige mit besonderem Augenmerk auf Kamin und Wintergarten schalten. Zudem überlegte er, einen Musiker zu engagieren, der bereit war, nur auf Trinkgeldbasis zu spielen. Gina überlegte wegzuziehen, so dass sie wahrscheinlich nicht mehr lange im Laden aushelfen konnte. Trotzdem war er guten Mutes.
    »Du bist vollkommen in deinem Element«, sagte ich, noch nicht so weit, ihm von der Mietwohnung zu erzählen, zumal er so gute Laune hatte.
    »Stimmt genau. Lass den Mann in Bolognesesauce schwimmen, und er ist glücklich.«
    »Eines verstehe ich nicht, David. Warum hatte Joe den Laden übernommen? Er wollte ihn doch gar nicht, er wollte Fotograf werden. Aber du wolltest ihn, stimmt’s? Seit du ein kleiner Junge warst. Joe hatte diesen ganzen Joey’s Laden/Davy’s Laden-Wettstreit irgendwann hinter sich gelassen, aber du nie. Hab ich recht?«
    Er stieß einen Seufzer aus. »Ja, hast du. Ich hab zwar so getan als ob, aber nur, um meine riesige Enttäuschung und das Gefühl, abgelehnt zu werden, nicht zu zeigen. O Gott, der Gesprächsstoff reicht für eine ganze
Oprah
-Show, El, aber leider habe ich heute Abend noch einen kleinen Catering-Job.«
    »Du machst auch noch Partyservice?«
    »Das ist mein erster Versuch, aber was soll’s, was immer die Kasse zum Klingeln bringt …« Er versprach mir, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.
    Ich saß draußen auf meinem Balkon und dachte an Joe und mich auf unserer Veranda in Elbow. An die Tage, wenn am Morgen der dichte Hochnebel die Wipfel der Redwoods umwaberte, deren Stämme so hoch waren, dass selbst die aus dem Wolkenteppich ragenden Spitzen wie ausgewachsene Bäume aussahen. Ich stellte mir vor, dass unser Haus – warm wie frisch gebackenes Brot – oben im Himmel schwebte, mit dem strahlend blauen Firmament über uns, während all jene, die unter der Nebelgrenze wohnten, den gleichen Moment als graue Entbehrung erlebten. Und dann hatte ich einen Anflug von schlechtem Gewissen,

Weitere Kostenlose Bücher