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Die andere Seite des Glücks

Die andere Seite des Glücks

Titel: Die andere Seite des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seré Prince Halverson
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beigestanden habe. Ich hab mich wie ein Idiot benommen – war nur versessen darauf, den Laden zu retten und die Kinder hierzubehalten. Gil musste mich erst darauf aufmerksam machen, dass ich die Sensibilität eines Elefanten im Porzellanladen an den Tag gelegt habe.«
    Ich zog eine Liste aus der Tasche und gab sie David. »Sie ist wirklich entsetzlich lang«, sagte ich, »tut mir leid.«
    »Weißt du was, El? Ich liebe es, ich liebe den Laden mit allem Drum und Dran. Du hast recht gehabt. Ich war derjenige, der ihn übernehmen wollte. Ich war neidisch auf Joe, dass er ihn auf einem Silbertablett überreicht bekam, obwohl er ihn nicht einmal wirklich wollte. Jedenfalls nicht damals, als wir Kinder waren, und später hab ich praktisch Männchen gemacht, um zu signalisieren: ›Gebt ihn mir, gebt ihn mir!‹ Wenn du nicht die Idee mit DAS LEBEN IST EIN PICKNICK gehabt hättest, wäre ich jetzt ein furchtbar gelangweilter Mensch, der mit einem sehr fetten Mann verheiratet ist.«
    Ich lachte. »Gil fing wirklich an, ein bisschen füllig zu werden, weil du ihn ständig mit Leckereien gefüttert hast.«
    »Aus diesem Grund und vielen anderen Gründen mehr werden wir dir ewig dankbar sein. Und deshalb haben wir beschlossen, dir das hier zu geben.« Er reichte mir einen Umschlag – mit Bargeld. Einem dicken Bündel Einhundert-Dollar-Scheinen.
    »David. Das kann ich nicht annehmen. Ich suche mir dort einen Aushilfsjob.«
    »Nein. Du fährst hin, um mit Paige zu reden, nicht um Bewerbungen auszufüllen. Das Geld war Gils Idee, und er hat vollkommen recht. Wir lieben dich und wollen dir helfen. Versuch alles, damit sie zumindest mit dir redet. Lass dir Zeit. Ich kümmere mich um den Laden.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    In dem Moment kam Callie angelaufen, mit etwas im Maul, das von weitem aussah wie ein verknorztes Stück Holz. Doch als sie dann vor mir stand, sah ich, dass es ein Tierschädel war. Ich nahm ihn ihr aus dem Maul und starrte in leere Augenhöhlen und auf ein paar gelbe Zähne.
    »O Gott«, sagte David plötzlich. »Das könnte Max sein.«
    »Max …?«
    »Joes Hund, als wir noch Kinder waren.« David schüttelte den Kopf. »Großvater Sergio hatte ihn im Redwood-Hain begraben, als ich ungefähr neun war. Du hättest den Hund damals sehen sollen, in seinen glorreichen Tagen: Ein riesiger Golden Retriever, dem Elbow sozusagen gehörte. Er war das Stadtmaskottchen, trabte von Haus zu Haus, und jeder kannte ihn. Ich dachte, er würde ewig leben. Armer Max.« David verstummte, gab sich seinen Erinnerungen hin.
    »Was ist mit ihm passiert?«, fragte ich nach einer Weile.
    »Ach, das ist eine traurige Geschichte. Joe hat dir nie –« Er hielt inne.
    »Nein. Kann ich wohl mit auf die Liste setzen.«
    Er nickte. »Ich werde sie dir erzählen, aber nicht jetzt. Du hast eine lange Fahrt vor dir.«
    Eine Brise kam auf, und wir beide standen da und starrten den Schädel an, ließen uns von der Sonne wärmen und sogen den Duft der Lorbeerbäume, Rosmarinbüsche und Douglastannen ein, den der Wind vom Bergkamm zu uns herübertrug.
    »Komm her.« Er nahm mich in die Arme und drückte mich fest, so wie früher. »Es kommen wieder bessere Zeiten, du musst nur durchhalten. Wir werden hier auf dich warten. Ich werde hier sein und versuchen herauszufinden, was in all den Jahren sonst noch beim Abendessen totgeschwiegen wurde, wie viel der bedrückenden Atmosphäre meinem Schwulsein zuzuschreiben war, und welchen Anteil Großvater Sergios und Großvater Dantes … Internierungslager hatten. O Mist. Ich spüre schon die nächste Identitätskrise im Anmarsch … Fahr jetzt lieber, sonst steige ich noch ein und komme mit.«

    Auf meinem Weg aus Elbow hielt ich am Friedhof an. Ich nahm die Kornblumen vom Rücksitz und ließ Callie frei laufen, behielt sie jedoch immer im Auge, denn hier sollte sie nun wirklich nicht buddeln. Sie umkreiste die Grabsteine und wollte sich gerade neben einen hocken, doch ich scheuchte sie rüber zu den Bäumen. »Callie! Du bist wirklich absolut pietätlos!«
    Ich legte die Blumen längs vor Joes Grabstein und flüsterte: »Erinnerst du dich an die? Ich hatte solche in meinem Auto, als wir uns kennenlernten.
Centaurea cyanus
. Ich hab sie mit in deine Küche gebracht, und du hast Wasser in eine Vase gefüllt. Weißt du noch?« Ich ging in die Hocke und wartete darauf, seine Gegenwart zu fühlen. Doch wo immer er gerade war, hier jedenfalls nicht. »Die Wahrheit ist, dass ich es immer noch

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